Die kommunale Vermögensbesteuerung in Hessen.
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genug Rücksicht nimmt auf die Leistungsfähigkeit, bedenkliche Konstruk
tionsfehler hat. Auch ist eine weitherzig zugestandene Autonomie der
Gemeinden, selbst wenn sie durch das ministerielle Aufsichtsrecht moderiert
wird, nicht ohne Bedenken. Ich habe ganz kürzlich eine Studie über
die kaufmännische Mittelstandspolitik und das Warenhausproblem x )
veröffentlicht. Ich habe bei dieser Gelegenheit auf die widerwärtigen
Zustände der Kommunalbesteuerung im Königreich Sachsen hingewiesen.
Es ist mit Recht mit einem Tummelplatz der Willkür verglichen worden,
und die Sondergewerbesteuerregnlative spotten in der Tat jeder Be
schreibung. Um die Konkurrenz, die den Zwischenhändlern von den
verschiedensten Seiten erstanden ist, zu erdrücken, hat man ganz
absonderliche Gewerbesteuerregulative ausgeklügelt, und die Stadt
verordnetenversammlungen haben sie genehmigt. Stadt- und Gemeinde
räte sind nicht immer, namentlich nicht in Steuerfragen, unparteiische
und neutrale Instanzen. Es ist dringend notwendig, daß der Gesetzgeber
dafür sorgt, daß die Autonomie nicht in Willkür und Klüngel ausartet.
Die neue preußische Gewerbesteuer, die ganz vorwiegend Er
tragssteuer ist, hat sich in der Praxis m. E. besser bewährt, als es
von der vorgeschlagenen hessischen Gewerbebetriebskapitalsteuer zu
erwarten steht. Der Schuldenabzug ist zwar bei beiden Systemen
unzulässig. Will man wirklich in Hessen auf die Besteuerung der
Bruttoerträge nicht verzichten, so hätte man wohl eingehender, als
es anscheinend geschehen ist, prüfen dürfen, ob es nicht ratsam wäre,
die neue preußische Gewerbesteuer en bloc zu akzeptieren. Eine
solche Nachahmung, die sich auf klare Erfahrungen stützen konnte,
lag auch um deswillen nahe, weil Hessen, wie kein anderer deutscher
Bundesstaat von gleicher Größe, die mannigfaltigsten Grenzbeziehungen
mit dem großen und mächtigen preußischen Steuergebiet hat. Wir
haben zahlreiche Firmen, namentlich in Oberhessen, aber auch in
anderen Teilen des Landes, deren Etablissements zum Teil auf
hessischem, zum Teil auf preußischem Boden liegen. Eine Gewerbe
steuer, welche auf derselben Basis aufgebaut wäre, wenigstens in
den Grundlagen, würde die Steuerverhältnisse der Nachbargebiete
>) Verlag von Emil Roth, Gießen 1905.