Full text: Die Steigerung der Produktivität der deutschen Landwirtschaft im neunzehnten Jahrhundert

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Einleitung. 
Die eigenartige territoriale und politische Entwickelung Deutschlands 
in dem abgelaufenen Jahrhundert hat es mit sich gebracht, dass wir erst 
seit der Gründung des neuen Reiches eine „deutsche“ Statistik und daher 
auch bezüglich der landwirtschaftlichen Entwickelung Deutschlands nur 
für die letzten drei Jahrzehnte miteinander unmittelbar vergleichbare Ziffern 
besitzen. Gleichwohl kann derjenige, welcher bei der Darstellung dieser 
Entwickelung den Zusammenhang von Ursache und Wirkung richtig hervor 
treten lassen will, sich nicht mit der Betrachtung der letzten drei Jahr 
zehnte begnügen; denn wenn auch die Begründung des Reiches, die gleich 
zeitig einsetzende überseeische Getreidekonkurrenz und andere Momente 
dieser Zeit auf die deutsche Landwirtschaft einen grossen Einfluss aus 
geübt haben, so war dieser Einfluss doch mehr äusserlicher Natur; die 
jenigen Gründe, welche die ganze innere Entwickelung der deutschen Land 
wirtschaft im vorigen Jahrhundert bestimmt haben und welche in dem 
Aufblühen der Wissenschaft und Technik, in sozialen und agrarrechtlichen 
Umwälzungen und tief einschneidenden wirtschaftspolitischen Massnahmen 
liegen, reichen weiter, gehen in der Hauptsache bis an den Anfang des 
19. Jahrhunderts zurück. 
Am Ende des 18. Jahrhunderts steckte die deutsche Landwirtschaft 
im wesentlichen noch in den mittelalterlichen Verhältnissen, wie sie kurz 
durch die Unfreiheit des Bauern und des Bodens und die Scliablonen- 
haftigkeit der alten Dreifelderwirtschaft bezeichnet werden. Allerdings 
hatte das rege Geistesleben der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts auch 
die Landwirtschaft nicht unberührt gelassen. Männer wie Leopoldt, 
Eckhart, Reichart und vor allem Schubart suchten sich von dem 
Regelwerk der alten Autoren und Praktiker frei zu machen und, gestützt 
auf eigene Beobachtungen und Versuche, neue Wege zur Verbesserung 
des landwirtschaftlichen Betriebes einzuschlagen und zu empfehlen. Im 
Verein mit den Kameralisten, denen, damals die Vertretung der Land 
wirtschaftslehre an den Universitäten oblag, bekämpften sie die Haupt 
schäden der damaligen Landwirtschaft, die ihre Wurzel besonders in der 
feudalen Gebundenheit und den unhaltbaren agrarrechtlichen Verhältnissen 
hatten. Unterstützt wurden sie von den Physiolcraten, welche die staatliche 
und volkswirtschaftliche Bedeutung der Landwirtschaft und des bis dahin 
verachteten und vernachlässigten Bauernstandes in das rechte Licht zu 
rücken suchten. So waren die Geister auf allen Seiten geweckt. Die 
Gebildeten und Vornehmen, welche es bis dahin unter ihrer Würde gehalten 
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