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Es kann Vorkommen, daß der Staat bei der Auf
nahme der Anleihe Papier erhält, aber sich ver
pflichtet, die Anleihe in vollwertigem Metallgeld
zu verzinsen und zurückzuzahlen. 1868 haben zum
Beispiel die Nordstaaten während des Sezessions
krieges eine Anleihe unter diesen Bedingungen
aufgenommen.
Es kommt auch der umgekehrte Fäll vor.
Ein Staat nimmt die Anleihe ganz oder über
wiegend in Weltgeld auf, verpflichtet sich viel
leicht sogar auch, sie in Weltgeld zurückzuzahlen,
kann dies aber dann nicht und befriedigt alle
Gläubiger oder zumindest jene, die im Inland
Wohnen, mit Zeichengeld. Man spricht in einem
solchen Fall, insbesondere wenn die Kaufkraft
des Zeichengeldes gegenüber dem Weltgeld sehr
gesunken ist, wohl schon von einem Staatsbankrott.
Ich will nun den Unterschied anzudeuten
versuchen, der zwischen den Wirkungen besteht,
Welche Anleihen, und jenen, welche Steuern zur
Böige haben. Die Steuern werden in ähnlicher
Weise verteilt, wie etwa die allgemeine Wehr-
Pflicht. Jeder wird herangezogen, es wird nicht
gefragt, ob einer Geld eben flüssig hat oder nicht.
Anders bei der Anleihe. Derjenige, welcher Geld
frei hat, wird vielleicht die Gelegenheit verwen
den, es zinstragend in Staatspapieren anzulegen,
Während ein anderer, der möglicherweise weit
reicher ist, kein Bargeld frei hat, oder es besser
>n Fabriken und anderen Unternehmungen ver
wenden kann. Wir müssen uns ja darüber klar
s ein, daß die Entziehung großer Geldsummen
durch Kriegsanleihen häufig auf Kosten der in
dustriellen und agrarischen Produktion erfolgt,
die schwer darunter leiden können. Das Auf
nehmen von Anleihen wirkt ähnlich wie das
Werben von Truppen in England. Wie ich
Sc hon oben erwähnt habe, werden auf diese
Weise in erster Reihe jene Kräfte heran-
gezogen, die in der Produktion nicht allzu
re ntabel verwertet werden können. Der Fein
mechaniker wird vielleicht zu seinem Arbeit
geber gehen und sagen: Der Staat bietet mir
e 'ue bestimmte Summe für den Eintritt in die
Armee, wenn Ihr nicht mehr gebt, folge ich
'kui. Der Arbeitgeber hat nun die Wahl.
Aehnlich in unserem Fall; der Staat bietet
hr eine bestimmte Geldsumme Zinsen, derjenige,
Welcher Geld einem andern geliehen hat, kann
z ü dem Schuldner kommen und sagen: Der Staat
bietet mir mehr, wenn du den Zins nicht erhöhst,
gebe ich ihm das Geld. Der Schuldner kann nun
berechnen, ob er das Geld zu dem höheren Zins
satz behalten kann.
Wir dürfen aber nicht übersehen, daß durch
b'e Anpassung der Anleihen an die Rentabilität
zwar Rentabilitätsstörungen, wie sie bei Steuern
Vorkommen, etwas verringert sind, daß aber
Unternehmen, welche weniger rentabel sind
11 n b daher durch Anleihenaufnahmen, soweit
Sle mit kredidiertem Gelde arbeiten, zunächst
getroffen werden, gesellschaftlich oft von größter
Wichtigkeit sind, da ja die Rentabilität sich
keineswegs mit dem öffentlichen Nutzen
deckt. Es sind dies Probleme sehr prinzipieller
Natur, die ich hier nur kurz anzudeuten vermochte.
Nicht unwichtig ist auch die Erörterung der
Frage, wie die Aufnahme von Anleihen auf die
verschiedenen Einkommenklassen wirkt. An der
Kriegsanleihe, die meist dem Staat nur unter
harten Bedingungen gewährt wird — wir haben
gesehen, welch hohe Zinsen Oesterreich für seine
Anleihen zusichern mußte, die während des Bal
kankrieges aufgenommen wurden — partizipieren
als Gläubiger in erster Reihe die wohlhabenden
Kreise der Bevölkerung, während die Rückzahlung
und die Zahlung der Zinsen die gesamte Bevöl
kerung belastet, muß doch das Hauptteil dieser
Beträge durch allgemeine Steuern aufgebracht
werden. Die Aufnahme solcher Kriegsanleihen
kann daher zuweilen die Wirkung ausüben, daß
die ärmere Bevölkerung in erhebliche Abhängig
keit von der reicheren kommt. Die Steuern
werden von Armen und Reichen gezahlt, die
Reichen bekommen aber einen erheblichen Teil
davon zurückerstattet, weil sie Staatspapiere in
den Händen haben, die sich übernormal verzinsen.
Nach der Befreiung Nordamerikas kam es
bereits 1790 zu einem Konflikt zwischen dem
Norden und dem Süden. Die ärmeren Südstaaten
beschwerten sich darüber, daß sie ohne jede
Entschädigung Steuern zahlen mußten, um
die Kriegsanleihen zu zahlen, während die
reicheren Nordstaaten großen Gewinn erzielten,
zumal es sich um Anleihen handelte, die weit
unter dem Nominale zirkuliert hatten und erst
nach dem Kriege in die Höhe gingen. Damals
wurde den Südstaaten als Entschädigung die
Gründung der neuen Hauptstadt Washington in
ihrem Gebiet zugesichert, die so ihren Standort
Kriegsanleihen verdankt. Das Gesagte erhellt zur
Genüge aus Tabelle XI, welche ganz schematisch
die Belastung durch Kriegsanleihen darstellt. Wir
sehen, wie die Regierung während des Krieges
eine 5°/ 0 ige Steuer auferlegt und gleichzeitig eine
10 0 / o ige Anleihe aufnimmt. Von den 600 Geld
mengen, welche auf diese Weise hereinkommen,
müssen aber nur 500 zurückgezahlt werden, weil
ja 100 durch Steuern aufgebracht werden. Wenn
die Rückzahlung bereits im nächsten Jahre er
folgt, so erhöht sich die Summe, welche zurück
gezahlt werden muß, auf 550 Geldmengen. Wenn
wir annehmen, daß die Steuer nicht progressiv
ist — um die Tabelle nicht zu komplizieren —
so kommen wir zu dem Ergebnis, daß zwar
auch die Reichen einen Teil ihrer Anleihezinsen
aufbringen müssen, aber nur einen Teil, der
Rest trifft die übrige Bevölkerung. In welchem
Ausmaß dies der Fall ist, hängt natürlich davon
ab, welche Steuern dazu dienen müssen, Zinsen
und Rückzahlung zu bestreiten. Indirekte Steuern
treffen meist die ärmeren Schichten mehr als
etwa direkte. Dies sind aber Einzelheiten, auf die
ich hier nicht näher eingehen kann.
Wir sehen daraus, daß wichtige soziale Ver
änderungen mit der Aufnahme von Anleihen in