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seien, welche auf dem internationalen Markte, so
lange kein Weltkrieg ausgebrochen sei, leicht be
schafft werden könnten, so daß das Resultat weit
gehender Ausfuhrverbote nur die Folge hätte, daß
die Kaufleute dritter Staaten statt jener des
eigenen Vorteile hätten. Manche sind daher der
Meinung, man solle Ausfuhrverbote im allgemeinen
auf Artikel beschränken, die man selber benötige,
oder die der Staat, den man zu hemmen sucht,
sich anderswo gar nicht oder nur sehr schwer
beschaffen kann.
Das Problem des Imports führt uns zu der
Frage, in welchem Ausmaße man im Kriegsfall
auf die Neutralität mancher Einfuhrwege rechnen
kann, wie sehr man durch die internationalen
Abmachungen gedeckt ist. Die Erfahrungen aus der
Vergangenheit sprechen dafür, daß in einem Welt
krieg das Völkerrecht nicht allzusehr beachtet
werden dürfte. In den militärischen Kreisen aller
Staaten bringt man ihm verhältnismäßig wenig
Ehrfurcht entgegen; gerade auf die Stimmung
militärischer Kreise kommt es aber im Kriegsfälle
wesentlich an, da der Wille der kommandierenden
Feldherrn begreiflicherweise dann weit mehr in
die Wagschale fällt als in Friedenszeiteti. Wenn
man daher die Bedarfsdeckung für den Kriegsfall
ins Auge faßt, muß man immer auch den Fall
berücksichtigen, daß der Staatenbund, dem man
angehört, im Kriegsfall auf sich selbst gestellt
sein kann.
Bekanntlich ist das Prinzip, daß das Privat
eigentum zur See zu respektieren sei, noch immer
nicht durchgedrungen — aber auch wenn es
durchgedrungen wäre, müßte man vorsichtiger
weise mit seiner Verletzung rechnen. Im Jahre 1866
wurde das Privateigentum zur See von Deutsch
land, Italien und Oesterreich-Ungarn respektiert,
1871 haben die Franzosen das Privateigentum
zur See nicht respektiert, weshalb es dann auch
die Deutschen nicht respektierten.
Aber selbst wenn genaue Bestimmungen über
die Respektierung neutralen Privateigentums be
stehen, das nicht absolute Konterbande ist, hat
der feindliche Admiral noch immer die Möglichkeit,
daß er gegen die Bestimmungen des Völker-
rechtsdie Schiffe wegnimmt und sie daheim abliefert.
Die Regierung zahlt dann eventuell später eine
Entschädigungssumme. Für den Augenblick ist aber
der eine kriegführende Staat um eine Sendung
Lebensmittel gekommen. Der Schaden, den er
dadurch vielleicht in seinen militärischen Operationen
erleidet, wird durch eine Geldentschädigung, die
später einmal ausgezahlt wird, nicht wettgemacht.
Kurzum, man muß allen internationalen Vereinbarun
gen heute noch mit größtem Mißtrauen gegenüber
stehen. Am genauesten werden sie dann eingehalten,
wenn dritte Mächte daran interessiert sind.Wenn aber
keine Macht den Exekutor spielen will, können
die flagrantesten Verstöße gegen das Völkerrecht
ungestraft Vorkommen. Dafür liefert der Balkan
krieg mehr als ein Beispiel. Daß die Großmächte
in der Lage gewesen wären, gegenüber den kleinen
Balkanstaaten das Völkerrecht durchzusetzen,
unterliegt wohl keinem Zweifel, es fehlte aber der
Wille dazu. Um wie viel mehr muß man mit Ver
letzungen des Völkerrechts in einem Weltkrieg
rechnen, der keine starken Neutralen kennt und
wo alles dazu drängt, das Völkerrecht auf Schritt
und Tritt zu verletzen. Daß wir seit der napoleo-
nischen Aera eine Zunahme der internationalen
Rechtssicherheit beobachten können, kann auf eine
wirkliche Entwicklung in dieser Richtung hin
deuten.
Aber nicht nur die Zufuhr zur See ist durch
internationale Abmachungen unzureichend ge
sichert, auch die Neutralität einzelner Staaten,
wie der Schweiz, ist nicht so unbedingt gesichert,
wie vielfach geglaubt wird. Es wurden vor einigen
Jahren, wie von schweizerischer Seite behauptet
wurde, in Frankreich Pläne ausgearbeitet, welche
dahin abzielten, Deutschland nach einem Durch
märsche durch das Juravorland in die Flanke
zu fallen. In der Schweiz selbst kam es damals
zu einer erregten Debatte darüber, ob man in
einem solchen Falle das Juravorland aufgeben
solle, um die Höhen zu verteidigen, oder ob man
dem Feinde am Fuße des Gebirges entgegentreten
könne. Aehnliches ist ja auch aus anderen Ge
bieten bekannt. Wir wissen, daß man in Deutsch
land und England immer auf Holland acht hat
und ein Staat den anderen verdächtigt, er wolle
die Neutralität dieses Gebietes im Kriegsfälle nicht
respektieren.
Kurzum, wir sehen, daß die Studien über
die gesamten Kriegsvorbereitungen, sowohl jener
für die Armee als auch jener für die Zivilbevöl
kerung, den Importfall berücksichtigen, aber immer
auch die Möglichkeit ins Auge fassen müssen, daß
die einzelnen in Betracht kommenden Staaten
bünde auf sich selbst gestellt sein könnten. Auf
die Notwendigkeit solche Studien systematisch
vorzunehmen, möchte ich hier mit allen Nachdruck
hinweisen.
X. Rückwirkungen des Krieges und der
Rüstungen auf Geld und Kredit.
Nachdem wir in den bisherigen Abschnitten
in großen Umrissen festzustellen versuchten, wie
organisatorisch und effektiv für den Bedarf
der Armee und der Zivilbevölkerung gesorgt
werden kann, sollen nun die Rückwirkungen des
Krieges auf die Geld- und Kreditwirtschaft flüchtig
skizziert werden.
Als erste charakteristische Wirkung kriegeri
scher Verwicklungen macht sich die Kündigung
der Kredite seitens des Auslandes bemerkbar. Wie
ich schon oben erwähnt habe, kann man von
einer Solidarität der Geld- und Kreditmärkte
nicht ohneweiters sprechen und muß sich davor
hüten, sie wie frei kommunizierende Gefäße auf
zufassen, die nach einigen Schwankungen eine