Full text: Zur wirtschaftlichen Förderung des Handwerks

a) den Absatz 2 des § 152 der R. G. ©. ent 
weder zu streichen oder folgenden Absatz 3 
dem § 152 hinzuzufügen: 
Durch die Bestimmung des Absatz 2 werden 
nicht berührt Vereinbarungen zwischen Ge 
werbetreibenden und gewerblichen Arbeitern 
über die Regelung der Lohn- und Arbeits 
bedingungen in bestimmten Gewerben (Tarif 
verträge). 
b) Den Berufsvereinen die Rechtsfähigkeit zu 
verleihen, was — ohne ein Spezialgesetz — 
durch einen Zusatz zu § 21 B. G. B. und 
Streichung des Wortes „sozialpolitisch" in 
§ 61 Absatz 2 des B. G. B. verwirklicht 
werden kann; 
c) das rechtliche Verhältnis von Arbeitsordnung 
und Tarifvertrag in dem Sinne zu ändern, 
daß die Arbeitsordnung dann nicht rechts 
verbindlich sein darf, wenn sie einem für den 
Betrieb geltenden Tarifvertrag zuwiderläuft. 
6. Das Endziel im Tarifvertragswesen wird 
eine reichsgesehliche Regelung des Tarifvertrags 
parallel den verschiedenen vertragsformen des 
Bürgerlichen Gesetzbuches sein müssen. 
Diese Leitsätze wurden zur Eingabe an den 
Reichstag bestimmt. Die Eingabe selbst hat folgen 
den Wortlaut: 
Die Arbeitstarifverträge haben im Gewerbe 
und namentlich im Handwerk eine große Bedeutung 
erlangt. Wenn auch die vorteile aus den Tarif 
verträgen mehr den Arbeitnehmern zukommen und 
die Arbeitgeber, namentlich im Handwerk, in der 
Hauptsache durch den Druck der Verhältnisse ge 
zwungen, erst zum Abschluß von Tarifverträgen 
sich verstehen, so sind sie doch zweifellos wichtig 
zur Herstellung und Erhaltung eines gedeihlichen 
Verhältnisses zwischen Arbeitgebern und Arbeit 
nehmern, oft sogar zur Wiederherstellung des 
Friedens zwischen Meistern und Gesellen. 
In Anbetracht der großen Bedeutung der Tarif 
verträge für das Handwerk hat sich auf Veran 
lassung der Handwerkskammer Düsseldorf, die den 
Antrag gestellt hatte, die Angelegenheit zu prüfen 
und eine Regelung der Rechtsverhältnisse der 
Arbeitstarifverträge anzustreben, der Handwerks- 
und Gewerbekammertag mit der Tarifvertragsfrage 
befaßt. Der Handwerks. und Gewerbekammertag 
faßte in der im August 1912 zu Würzburg abge 
haltenen Vollversammlung nahezu einstimmig einen 
Beschluß, in den' die oben angeführten Leitsätze 
enthalten sind. 
Dann heißt es weiter in der Denkschrift: 
Zur Begründung der auf, die Fortbildung des 
Tarifvertragsrechtes abzielenden Vorschläge führen 
wir folgendes aus: 
Zwar hat sich der Arbeitstarifvertrag schon 
weit verbreitet, besonders im Handwerk, doch steht 
er rechtlich erst im Anfang der Entwicklung. Ja, 
es haften ihm noch viele Mängel an, was freilich 
bei seinem verhältnismäßig geringen Alter und 
bei der Schwierigkeit des Stoffes nicht Wunder 
nehmen kann. Die Schwierigkeiten liegen haupt 
sächlich darin, daß das Ta'rifv er tragsrecht, 
das durch die Praxis'entstanden ist, in die engen 
Formen der Gesetze eingepaßt werden muß, ob 
wohl diese ein eigentliches Tarifvertragsrecht nicht 
kennen. Das gegenwärtige Recht, dem die Tarif 
verträge unterworfen sind, führt daher geradezu 
zu Hemmungen und, Gefahren für die Anwendung 
von Tarifverträgen. Trotzdem wäre es aber u. E. 
verkehrt, wenn man zur Zeit eine erschöpfende 
Regelung des Tarifvertragsrechts durch ein be 
sonderes Gesetz befürworten wollte. Lin besonderes 
Gesetz würde zweifellos die natürliche Entwicklung 
des Tarifvertragsrechtes' ernstlich ? gefährden, 
weil die ganze Frage erst noch im Flusse ist, aber 
sich noch nicht zu klaren Begriffen kristallisiert hat. 
So bleibt das besondere Gesetz (wohl das Ziel der 
wünsche, soll aber gegenwärtig noch nicht gefordert 
werden. Doch soll damit nicht gesagt sein, daß 
eine Regelung auf einzelnen Gebieten nicht er 
wünscht und notwendig wäre. 
Zunächst bedürfen die gegenwärtigen gesetzlichen 
Bestimmungen einer Änderung, da'sie in mancher 
Hinsicht hemmend auf die Entwicklung des Tarif 
vertragsrechts einwirken. So muß vor allem die 
Rechtsverbindlichkeit der Tarifverträge ausgestaltet 
werden, damit alle Zweifel an der Rechtswirksam 
keit der Tarifverträge als beseitigt gelten können. 
Hier kommen hauptsächlickPdie Fragen der, Haftung 
der vertragsschließenden verbände und ihrer Mit 
glieder für die Arbeitstarifverträge und der Ab 
dingbarkeit der Tarifverträge in Betracht. 
Lin Hindernis für die Entwicklung des Tarif. 
Vertragrechts bildet vor allem der § 152 der 
Gewerbe-Mrdnung. Dieser hebt in Absatz 1 alle 
63
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.