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Der im Jahre 1899 von der Postverwaltung dem Reichs
tag vorgelegte Tarifentwurf war nach dem Grundsatz auf
gestellt, daß sich beim Postzeitungsvertrieb Leistung und
Gegenleistung entsprechen sollten?) Die Tarifsätze sind dann
vom Reichstag derart ermäßigt worden, daß der Tarif ein
Minus ergeben mußte?) Maßgebend für die Entschließungen
des Reichstags waren zwei Motive: einerseits das auf einem
weitgehenden Entgegenkommen gegen die wirtschaftlichen In
teressen und Wünsche des Volks beruhende Bestreben, einen
Ueberschuß aus dem Zeitungsvertriebe für die Post zu
verhüten') und andererseits die Befürchtung, daß die mittlere
und kleine Presse durch die in der Regierungsvorlage vorge
sehenen Tarifsätze geschädigt werden könnte?)
Gegen beide Gesichtspunkte ist folgendes einzuwenden:
Die Befürchtung einer nennenswerten Mehreinnahme aus
dein neuen Tarif war grundlos. Der Tarif hätte nach der
Regierungsvorlage einen Ueberschuß von rund 300 000 M.
ergeben?) der in Anbetracht des umfangreichen Postzeitungs
verkehrs mäßig zu nennen gewesen wäre, und den die Volks
wirtschaft ohne wesentliche Belastung hätte aufbringen können.
Ebenso gegenstandslos war die Besorgnis um die mittlere
und kleine Presse. Da diese Presse vorwiegend lokalen
h Stenogr. Ber. 1898/00 II. Ant. Bd. S. 999.
y Vgl. S. 83 Anm. 6.
3) Stenogr. Ber. 1898/00 Bd. II S. 1730 (Abg. Fischbeck): die
Regierungsvorschläge seien brauchbar, eine Mehreinnahme dürfe jedoch
nicht erwachsen. — A. a. O. Bd. IV S. 2797 (Staatssekr. von Pod-
bietski): „cs liegt ein gewisser Reiz darin, die Ueberschüsse der Post-
verwaltnng herabzumindern". - Archiv 1900 S. 83: „In der Com
mission . . . zeigte sich die Neigung, nicht auf die volle Forderung der
Regierung einzugehen".
Die Lokalpresse sollte auf alle Fälle imstande sein, den Wett
bewerb mit der immer mehr um sich greiseuden großstädtischen Presse
auszuhalten; sie sollte nicht Verluste an Abonnenten und Verdienst er
leiden, nicht „erdrosselt" werden. Vgl. Stenogr. Ber.: 1898/00 Bd. II
S. 1739 f. (Abg. Dasbach), S. 1710 (Abg. von Waldow), S. 1720 f.
<Abg. Pachnicke), S. 1724 (Abg. Graf von Bernstorff), S. 1738 (Abg.
Oertel); Bd. IV S. 2796 (Abg. Marconr), S- 2807 f. (Abg. von
Czarlinski), S. 2925 f. (Abg. Oertel); Archiv 1900 S. 83.
5) Vgl. S. 83 Anm. 5.