80
Arbeiterverhältnisse und Ärbeiterfürsorge.
Verschiedenheit kein Beschluß zustande kommen. In solchen Fällen
entschied die staatliche Versicherungskammer des Gouvernements
und in letzter Instanz der Versicherungsrat beim Ministerium für
Handel und Gewerbe in St. Petersburg.
Die Einführung dieses Gesetzes auf den Hüttenwerken wurde
jahrelang hinausgeschoben, angeblich weil sowohl die Regierungs
organe wie die Unternehmerkreise befürchteten, daß aus den ge
wählten Arbeitervertretern bei den Krankenkassen sich bald Ar
beiterführer herauskristallisieren würden, und so die Regierung selbst
den Arbeitern zu einer nicht beabsichtigten Organisierung der Ar
beitermassen verholfen hätte, denen dann in den Geldern der Kranken
kasse willkommene Streikmittel zur Verfügung ständen. So kam es
dann, daß bei Ausbruch des Krieges nur ganz wenige südrussische
Hüttenwerke eine Krankenkasse besaßen. Auch im ganzen Krivoi
Roger Erzgebiet bestand bis zum Juni 1917 nur auf einer einzigen
Grube eine Krankenkasse.
Die Unfallversicherung wurde durch das Gesetz von 1912 auch
neu geregelt. Es wurden obligatorische Versicherungsgesellschaften
unter staatlicher Aufsicht gegründet, deren Mittel durch die Unter
nehmer des betreffenden Bezirkes im Verhältnis zu der Summe der
bezahlten Arbeiterlöhne aufgebracht werden sollten. Auch diese Ge
sellschaften begannen erst ihre Tätigkeit am 1. Juli 1915. Sie
hatten die Ausführung des Gesetzes von 1903 dem einzelnen Unter
nehmer abgenommen. Ihnen lag demnach die Abfindung und Renten
zahlung bei Unglücksfällen ob, wohingegen die Auszahlung der
Krankengelder während der ersten 4 Monate nach dem erlittenen
Unfälle zu Lasten der Krankenkasse fiel.
Im Juli 1917 erließ dann die provisorische Regierung ein dem
Geiste der Zeit entsprechendes Zusatzgesetz zu dem bestehenden
Gesetze über die Arbeiterfürsorge während der Erkrankung. Alle
Unternehmer, die bisher noch in keiner Krankenkasse vertreten
waren, wurden nun gezwungen, sich einer bestehenden Kasse anzu
gliedern. Die Änderungen des neuen Zusatzgesetzes bestanden in
der Hauptsache aus Folgendem:
1. Die Verpflichtung, einer Krankenkasse beizutreten, wurde
auf alle Unternehmungen mit mehr als 5 Arbeiter ausgedehnt.
2. Aus der Verwaltung der Kasse wurden die Vertreter des
Unternehmers vollständig entfernt. Der führende Ausschuß, der die
Geschäftsführung der Krankenkasse hatte, bestand nur aus Arbeiter
vertretern. Nur im Revisionsaussohusse war der Unternehmer noch
stimmberechtigt.
3. Es stand den Krankenkassen frei, die Krankenbehandlung
in eigene Verwaltung zu übernehmen. Der Unternehmer hatte in