Full text: Die südrussische Eisenindustrie

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Arbeiterverhältnisse und Ärbeiterfürsorge. 
Verschiedenheit kein Beschluß zustande kommen. In solchen Fällen 
entschied die staatliche Versicherungskammer des Gouvernements 
und in letzter Instanz der Versicherungsrat beim Ministerium für 
Handel und Gewerbe in St. Petersburg. 
Die Einführung dieses Gesetzes auf den Hüttenwerken wurde 
jahrelang hinausgeschoben, angeblich weil sowohl die Regierungs 
organe wie die Unternehmerkreise befürchteten, daß aus den ge 
wählten Arbeitervertretern bei den Krankenkassen sich bald Ar 
beiterführer herauskristallisieren würden, und so die Regierung selbst 
den Arbeitern zu einer nicht beabsichtigten Organisierung der Ar 
beitermassen verholfen hätte, denen dann in den Geldern der Kranken 
kasse willkommene Streikmittel zur Verfügung ständen. So kam es 
dann, daß bei Ausbruch des Krieges nur ganz wenige südrussische 
Hüttenwerke eine Krankenkasse besaßen. Auch im ganzen Krivoi 
Roger Erzgebiet bestand bis zum Juni 1917 nur auf einer einzigen 
Grube eine Krankenkasse. 
Die Unfallversicherung wurde durch das Gesetz von 1912 auch 
neu geregelt. Es wurden obligatorische Versicherungsgesellschaften 
unter staatlicher Aufsicht gegründet, deren Mittel durch die Unter 
nehmer des betreffenden Bezirkes im Verhältnis zu der Summe der 
bezahlten Arbeiterlöhne aufgebracht werden sollten. Auch diese Ge 
sellschaften begannen erst ihre Tätigkeit am 1. Juli 1915. Sie 
hatten die Ausführung des Gesetzes von 1903 dem einzelnen Unter 
nehmer abgenommen. Ihnen lag demnach die Abfindung und Renten 
zahlung bei Unglücksfällen ob, wohingegen die Auszahlung der 
Krankengelder während der ersten 4 Monate nach dem erlittenen 
Unfälle zu Lasten der Krankenkasse fiel. 
Im Juli 1917 erließ dann die provisorische Regierung ein dem 
Geiste der Zeit entsprechendes Zusatzgesetz zu dem bestehenden 
Gesetze über die Arbeiterfürsorge während der Erkrankung. Alle 
Unternehmer, die bisher noch in keiner Krankenkasse vertreten 
waren, wurden nun gezwungen, sich einer bestehenden Kasse anzu 
gliedern. Die Änderungen des neuen Zusatzgesetzes bestanden in 
der Hauptsache aus Folgendem: 
1. Die Verpflichtung, einer Krankenkasse beizutreten, wurde 
auf alle Unternehmungen mit mehr als 5 Arbeiter ausgedehnt. 
2. Aus der Verwaltung der Kasse wurden die Vertreter des 
Unternehmers vollständig entfernt. Der führende Ausschuß, der die 
Geschäftsführung der Krankenkasse hatte, bestand nur aus Arbeiter 
vertretern. Nur im Revisionsaussohusse war der Unternehmer noch 
stimmberechtigt. 
3. Es stand den Krankenkassen frei, die Krankenbehandlung 
in eigene Verwaltung zu übernehmen. Der Unternehmer hatte in
	        
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