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infolge des Mangels an Kraftfutter erheblich zurückgegangen war
und bei einer Verminderung der Küpfzahl noch ein weiterer Rück
schritt in der Milcherzeugung eintritt. Der häufig gemachte
Einwurf, daß eine Verminderung der Kopfzahl eine Erhöhung der
Einzellcistung infolge der dann auf das einzelne Tier treffenden
höheren Futtermenge mit sich bringen würde, trifft nach Lage der
Verhältnisse nicht zu, da uns während des Winters Kraftfutter-
mittel in nennenswerter Menge nicht zur Verfügung stehen. Das
wichtigste hier in Betracht kommende Kraftfuttermittel, das im
Jnlande erzeugt wird, ist die Kleie, deren Menge und Wirkung aber
mit dem Grade der steigenden Ausmahlung des Getreides sinkt.
Eine Verminderung der Rindviehbestände brachte also im wesent
lichen nur die Möglichkeit mit sich, dem einzelnen Tiere noch mehr
Rauhfutter zu geben, als es gegenwärtig der Fall ist. Davon eine
Erhöhung der Milcherzeugung zu erwarten, ist abwegig, weil bei
einer guten Rauhfutterernte, wie wir sic 1816 hatten, die Aufnahme-.
fähigkeit der Tiere an Rauhfutter voll gedeckt wird. Nur von den:
Rübenvorrat würde bei einer Verringerung der Stückzahl eine etwas
größere Menge auf das einzelne Tier entfallen, vorausgesetzt, daß
eine gleichmäßige Verteilung des für die tierische Ernährung zur
Verfügung stehenden Rübenvorrats auf alle Milchkühe möglich wäre,
was aber kaum der Fall sein dürste. Auch bezüglich des Jungviehs,
das vor allem als Magervieh zur Besetzung der Weiden in Betracht
kommt, war es bei der Lage der Verhältnisse unter allen llnrständcn
geboten, kein Stück Vieh mehr zur Schlachtung zu bringen, als zur
Deckung des Bedarfs notwendig erscheint. Die Magerviehbestände
sind unumgänglich notwendig, uni als Weidevieh das uns einzig und
allein in großer Menge zur Verfügung stehende Kraftfuttermittel,
das eiweißreiche junge Gras, auszunutzen. Dies ist jedoch nur
bei voller Besetzung der Weiden möglich, weil nur dann das Weide-
gras in jungem Zustande von den Tieren aufgenommen und vor ltber-
ständigwerden und Verholzung der jungen Teile bewahrt wird.
Abgesehen von diesen Gesichtspunkten war sich die Rcichsfleisch-
stelle klar darüber, daß die Rinderbestände bei der unsicher gewordenen
Grundlage der Schweinehaltung eine unentbehrliche R e s e r v e bilden
müssen, deren Heranziehung dann erfolgen sollte, wenn die Verhält
nisse auf den anderen Gebieten der Lebensmittelversorgung dies not
wendig machten. Dieser Fall ist im April 1917 eingetreten, und er
zeigt, daß die möglichste Schonung der Rindviehbeständc keine
ungesunde Anfammlungspolitik, sondern eine notwendige Maßnahme
vorausschauender Wirtschaftspolitik war.