20
Die unmittelbare Folge des andauernd schlechten Geschäfts
ganges war ferner, daß die innere Organisation der oberschlefi-
schen Eisenindustrie auf ihrem alten Stand stehen blieb, sowohl
was die Produktionsfähigkeit der Qualität als auch der Quan
tität betrifft.
Wenn, wie es hin und wieder geschah, die Konkurrenz des
englischen Eisens in Deutschland wie auf dem ganzen Konti
nente nachließ, und der inländische wie auswärtige Bedarf mit
gesteigerten Anforderungen an die oberschlesischen Werke heran
trat, mußten diese Roheisen aus Schweden oder sogar England
für ihre Schmelzöfen heranschaffen, da ihre eigenen Hochöfen
nur geringer Produktionssteigerungen fähig warenH. Ferner
wurde die „nach ihrem Kohlengehalt zwischen Schmiedeeisen und
Roheisen unter dem Namen Stahl bekannte Mittelstufe des
Eisens" nicht erzeugt wegen der geringen Güte des oberschle-
schen Roheisens.
Die Entwickelung der oberschlesischen Steinkohlengruhen
dagegen war in der ganzen Zeit erfreulich, sie erlebte des öfteren
sogar stürmische Haussen durch die stetig fortschreitende Auswei
tung des Eisenbahnnetzes sowie die schon zu jenen Zeiten ein
setzenden Fabrikgründungen, in Schlesien besonders der Leinen-
und Zuckerrübenindustrie, der Kalk- und Zementwerke, Ziege
leien und Getreidemüllerei.
Die kriegerischen Erfolge Preußens 1866 und 1870/71
brachten wie das Wirtschaftsleben ganz Deutschlands so auch
Oberschlestens einen kräftigen Ruck vorwärts.
Die jetzt wuchtig beginnende „systematische Industrialisie
rung", durch die französischen Milliarden unterstützt, vornehmlich
die stetig steigende Bautätigkeit der Städte rief eine ungeheure
I Vermehrung der Nachfrage irach Kohle und Eisen hervor. Hatte
bisher der Eisenbahnbau den größten Teil der Roheisenproduk
tion absorbiert, ca. 60 bis 65 Prozent, während nur 30 Prozent
auf die Industrie und 5 bis 7 Prozent auf die Landwirtschaft
entfielen 2 ), so nahm nun der Markt der kleinen privaten Ver
braucher in den Städten wie auf dem platten Lande rasch an
Bedeutung zu. Gleicherweise ja noch mehr war dies bei der
Steinkohle der' Fall.
1) H. Solger, S. 132 f.
2) R. Martin, S. 64.