Full text: Die oberschlesische Kohlen- u. Eisenindustrie

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So sehr die gesamte deutsche Eisenindustrie in jenen 
„Gründerjahren" auch ihre Produktion anspornte, vermochte sie 
den riesig gewachsenen Bedarf des Inlands doch nicht zu befrie 
digen, so daß, um dem überlegen vorausgeeilten englischen Eisen 
den Eingang zu erleichtern, 1873 der deutsche Roheisenzoll be- i 
seitigt wurde. 
Jetzt erfolgte ein bedeutender Preissturz für alle Eisensor 
ten, der dann auch die Steinkohle in scharfe Mitleidenschaft zog. 
Dazu kam die allgemeine Wirtschaftsdepression, die Mai 1873 { 
von Wien ausgehend, sich über alle großen Wirtschaftsgebiete der 
Welt ausdehnte, und die bekannte deutsche Jndustriekrisis her 
vorrief, unter der wiederum die Kohlen- und Eisenindustrie am 
meisten litt. 
Oberschlesien litt unter dieser Krise zwar in geringerem 
Maße, da einmal seine Entwickelung weniger stürmisch gewesen 
war und ihm außerdem damals noch der aufnahmefähige pol 
nisch-russische Markt offen stand, auf dem es seine Überproduk 
tion absetzen konnte. Aber um diese Zeit trat ein neues für die 
oberschlesische Eisenindustrie so überaus ungünstiges Moment an 
den Tag, dessen Folgen schon in den ersten 1880er Jahren rasch 
eintraten. Durch das 1879 von Thomas und Gilchrist erfun 
dene basische Verfahren wurde die Grundlage der deutschen Eisen 
industrie vollständig verändert. 
Die westdeutsche Eisenindustrie, vorzüglich lothringisch 
luxemburgische Hüttench, auf ungeheuren phosphorreichen Erz 
schätzen stehend, die vorher für das saure Bessemerverfahren fast 
wertlos waren, stieg nun mit Riesenschritten auf. Durch die 
1879 zur Stärkung der Großindustrie und der Landwirtschaft 
inaugurierte Schutzzollpolitik Bismarcks^) in seiner Konkurrenz 
kraft gehoben, verdrängte das westdeutsche Eisen die englische 
Konkurrenz von dem größten Teil des deutschen Markts. 
Die oberschlesischen Eisenhütten dagegen, die schon solange 
mit der allgemeinen Entwickelung nicht hattenSchritt halten kön- 
1) H. Schumacher I. 
2) Bismarck erscheint anfangs passiv, s. a. „Eisenhüttenwesen 
1912" S. 311, Brief König Wilhelms, Gastein d. 22. Juli 1876 an 
Bismarck. Nach der Erkenntnis aber der für die damalige deutsche 
Wirtschaftsnot einzig richtigen Hilfsaktion übernahm er die Füh 
rung und setzte die wirksamsten Zollschutzmahregeln durch.
	        
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