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Psychopathologie kündigte sich an. Bis weit in das
19. Jahrhundert haben alle diese Richtungen sich tat
sächlich erhalten. Eine ununterbrochene Linie führt
z. B. von Hartley über James Mill zu Bain. Man sieht
auch, wie universell alles das ist, wie viele grund
verschiedene Gesichtspunkte sich gleichzeitig aus
wirken — und das soll das kahle, flache, banale Jahr-
hundert gewesen sein?!
Ereilich — wohl am schlimmsten fuhr gerade
jener Teil der Psychologie, der für uns am wichtig
sten ist, die Motivenlehre. Zunächst wurde fraglos
die Bedeutung des bewußten Motivs und die Prompt
heit und Folgerichtigkeit unseres Reagierens darauf
gründlich überschätzt. Sodann aber tat man damals
eben die ersten Schritte nach einem fernen Gebirge
hin — was Wunders, daß seine Linien viel einfacher
schienen als uns, die wir mitten in den Geröllhalden
herumklettern? Daher kommt es, daß man die indi
viduellen Motive als ein letztes Datum hinnahm und
wenig nach ihrer sozialen Formung und Bedingtheit
fragte, und daß man sich mit einigen wenigen und
einfachen begnügte, wie Egoismus, Sympathie usw.
Besonders der Egoismus kam ganz bedenklich zu
Ehren. Und um das Malheur vollzumachen, wurde er
auch noch ganz individuell gefaßt — seine Abstufun
gen in den Kreisen von Familie, Klasse, Nation, Rasse
wurden, wenn nicht übersehen, so doch wenig beach
tet — und ganz hedonistisch orientiert, d. h. an den
treibenden Faktor eines lediglich lustsuchenden und
schmerzfliehenden Wollens gekettet: dieser hedoni-
sche Egoismus war die Basis des Systems, für das