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„Der Werlgedanke“,
belehrend über den Zustand unserer Wissenschaft, •— im eigentlichen
Sinne gar nichts lehrt; die „Wertlehre“ als solche nämlich, als
das unpersönliche Ganze. Und zwar deshalb, weil sie als dieses Ganze
nur aus lauter Teilen besteht, die sich gerade inhaltlich untereinander
ausschließen.
Belehrung im eigentlichen Sinne könnte also unserem Neulinge
nur von einer der sogenannten Werttheorien werden. Die Wahl bliebe
ihm frei. Jedoch einer von ihnen müßte er zuschwören; und damit
hätte er auch schon allen anderen abgeschworen! Soll er nun über
diese Art, in der eine Wissenschaft seinem Erkenntnisdrang begegnet,
nicht den Kopf schütteln? Vielleicht denkt er mit Bitterkeit an ein
Wort, das sich nun, wider sein besseres Wollen an ihm zu verwirk
lichen droht:
„Am besten ist’s auch hier, wenn ihr nur Einen hört,
Und auf des Meisters Worte schwört.“
Ein Zwischenwort. Welcher Fachmann würde nicht in die hellste
Verlegenheit geraten, sollte er jemandem klipp und klar darüber Rede
stehen, was denn eigentlich in der „Wertlehre“ gesicherter Besitzstand
der Wissenschaft sei, überhoben allem Für und Wider subjektiver
Anschauung! Ich darf dabei wohl die ungezwungene Voraussetzung
machen, daß jener unbequeme Fragesteller von den kritischen Bedenk
lichkeiten frei sei, deren ich mich für meinen Teil nicht zu entschlagen
weiß. Seine Frage wird also, durchaus gemäß den Anschauungen, die
in unserer Wissenschaft die herkömmlichen sind, ungefähr lauten: „Was
steht über den Wert so weit fest, daß man es für den jetzigen
Stand der Wissenschaft als objektiv gültig ansehen dürfte?“
Jedem Außenstehenden muß diese Frage so natürlich, so berechtigt
Vorkommen, daß er von dem Fachmanne voraussetzen wird, es sei ihm
ein Leichtes, darauf zu antworten. Der Fachmann selber dürfte anderer
Meinung sein. Ist es nicht sehr bezeichnend, daß er sich die Antwort
überhaupt erst zurechtlegen muß? Und sehr mühsam zurechtlegen!
Denn erstens muß er sozusagen seiner eigenen Überzeugung Gewalt
antun, wenn er jemanden „über den Wert“ — wie die Frage es
fordert — aufklären soll, und dabei doch nicht seine eigene „Wert
theorie“ entwickeln darf; das letztere würde ja offenbar dem Sinn der
Frage zuwider sein. Zweitens aber könnte er für den Zweck der
*) In der Wirklichkeit bleibt dem Jünger der Wissenschaft die Qual jener Wahl
in der Regel erspart. Er fällt wohl dem ersten Lehrbuche, das er liest, oder dem ersten
Kollegium, das er hört, zur Beute. Er hat sich mit der „Wertlehre“ inhaltlich längst
abgefunden, ehe ihm die Möglichkeit jener Wahl recht zum Bewußtsein kommen konnte.