Object: Methodische Einführung in die allgemeine Wirtschaftsgeographie

42 III. Abschnitt. 
Spruche früherer Jahrhunderte, dem „Navigare necesse est, vivere 
non necesse“. 
Bei dem innigen Zusammenhänge, in welchem die wissenschaft 
liche Untersuchung der Meere mit der Anwendung ihrer Ergebnisse 
auf die Schiffahrt von jeher gestanden hat und immer stehen wird, 
müßte eine Verkehrsgeographie des Ozeans eigentlich einen großen 
Teil der nautischen Wissenschaften umfassen. Auf diese kann selbst 
verständlich an dieser Stelle nicht eingegangen werden. Dagegen 
müssen einige der allgemeinen Fragen in ähnlicher Weise beantwortet 
werden, wie das bei der Behandlung des festländischen Verkehrs ge 
schehen ist. 
Bei der physikalischen Beschaffenheit des Bewegungsmediums, 
des Meeres, können fördernde wie hindernde Eigenschaften sich nur 
in der Ebene geltend machen. Die wichtigste Erscheinung, die in 
diesem Falle so gut fördernd wie hemmend auftreten kann, sind die 
Meeresströmungen. Wenngleich ihre Kraftwirkung nicht so groß ist 
wie diejenige eines mit stärkerem Gefälle dahinströmenden Flusses, 
so ist sie doch groß genug, erhebliche Verzögerungen und vor allem 
einen fühlbaren Mehrverbrauch an Kohlen zu verursachen, wenn ein 
Dampfer genötigt ist, gegen einen solchen Oberwasserstrom zu fahren. 
Da die schneller fließenden Strömungen in der Regel weniger breit 
sind als die langsamer dahinziehenden, so ist die Möglichkeit vor 
handen, durch verhältnismäßig geringe Umwege ihnen zu entgehen, 
falls es sich nicht gerade um das Passieren einer engeren Meeres 
straße handelt. Nehmen wir an, eine Strömung lege etwa 50 See 
meilen am Tage zurück, so bedeutet die Notwendigkeit für ein ihr 
entgegenfahrendes Schiff, im Wasser diese 50 Meilen mehr zurück 
legen zu müssen als über dem Meeresboden, d. h. als die wirklich 
zurückgelegte Wegstrecke, doch eine nicht unbeträchtliche Mehrleistung 
der Maschine. Umgekehrt gewinnt das mit dem Strome fahrende 
Schiff diese 50 Meilen an der Wegstrecke, d. h. sein Kohlen verbrauch 
bleibt erheblich hinter demjenigen zurück, den es im ruhigen Wasser 
bei der gleichen Entfernungsleistung gehabt haben würde. Während 
wir also auf den Gewässern des Binnenlandes einzig bei der Flößerei 
in der Strömung eines Gewässers lediglich eine Förderung des Trans 
portes erblicken dürfen, gilt dies auf der See von den Strömungen 
der oberen Wasserschichten in höherem Grade, da ja in den seitlich 
befindlichen ruhigeren Gewässern die Fahrt in der der Strömung ent 
gegengesetzten Richtung keine Verzögerung erfährt. Voraussetzung 
ist natürlich, daß keine Gründe praktischer Art gegen eine Trennung 
der Hin- und Rückfahrrouten sprechen. 
Während die Strömungen des Meeres keine so großen jahres 
zeitlichen Aenderungen aufweisen, daß die Schiffahrt dadurch in be 
sonders hohem Grade in der Wahl ihrer Wege beeinflußt werden 
könnte, ist die zweite, im Wasser selbst beruhende Art von Störungen 
in hervorragendem Maße an die Jahreszeit gebunden. Das Eis der 
Polarmeere und vor allem das der Polarländer bildet, wie Ereignisse 
der letzten Zeit zeigen, selbst für die größten und stärksten Schiffe 
eine nicht zu unterschätzende Gefahr. Das Meereis freilich wirkt als 
Verkehrshemmnis nur in den polaren Gewässern und den ihnen un 
mittelbar benachbarten Gewässern; wir können seine Wirkungen aber 
in der Verkehrsgeographie unberücksichtigt lassen, da ein regelmäßiger 
Verkehr in den arktischen und namentlich in den antarktischen Ge-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.