Full text: Einführung in das Studium der Konjunktur

190 Vierter Abschnitt. Konjunkturprognose und Konjunkturpolitik. 
5,16 o/o. Von insgesamt 56 Betrieben der Spinnerei und Weberei 
zahlten im Jahre 190Ö 36 keine Dividende. Von den Verlusten dieser 
Gesellschaften war ja schon oben die Rede gewesen. 
Daß auch für andere Branchen die Verhältnisse auch nicht 
besser lagen, zeigen für die damalige Zeit die Zusammenstellungen 
des Handbuches der deutschen Aktiengesellschaften. Von 5000 Be 
trieben, welche in diesem Handbuche behandelt wurden, blieben 
in dem Geschäftsjahre von 1901 auf 1902 nicht weniger als 1869 
dividendenlos, während 1003 von diesen Betrieben mit einer Unter 
bilanz abschlossen. Auch bei den übrigen 866 Betrieben, welche 
keine Dividende verteilten, traten zum Teil erhebliche Verluste 
ein, welche aber meistens durch Heranziehung der Reserven, durch 
Zusammenlegung des Aktienkapitals oder durch Zuzahlung auf 
dasselbe, bereits vor Abschluß gedeckt worden sind 1 ). 
Das frühere .System der Dividenden- und Bilanz 
politik bestand noch in dieser Zeit im allgemeinen darin, daß, 
von wenigen Ausnahmen abgesehen, in guten Jahren ein mög 
lichst großer ,Teil des Gewinnes als Dividende ausgeschüttet wurde, 
daß man ,in Form von Abschreibungen und sonstigen Rückstellungen 
nur sehr ,wenig Vorsorge für die kommenden mageren Jahre traf 
und daß sich dann in diesen mit dem Rückgänge des Absatzes, dem 
Sinken der Preise und der dadurch bewirkten Gewinnahnahme ein 
erheblicher Dividendenrückgang ergab, wie wir ihn eben in so extre 
mer Form bei der Textilindustrie gesehen haben. In den letzten 
Jahren vor dem Kriege ist hier ein wesentlicher Wandel eingetreten. 
Immer mehr Unternehmungen aller Branchen erblicken ihr Ziel darin, 
durch eine vorsichtige Bilanzpolitik die Unternehmungen innerlich zu 
kräftigen, ihre finanzielle Lage immer unabhängiger von den Schwan 
kungen der Konjunktur zu machen und somit auch zu einer größeren 
Stabilität in der Dividendenausschüttung zu gelangen. 
Der Weg, welcher dieses möglich macht, ist der, daß man in 
den Jahren einer guten Konjunktur die offenen Reserven mög 
lichst reich dotiert und durch reichliche Abschreibungen 
und vorsichtige Bewertung der Aktiven große stille Reserven schafft. 
Damit erleidet zwar der in den Jahren der guten Konjunktur sich 
ergebende Reingewinn eine scheinbare Verringerung, es wird weniger 
an Dividende ausgeschüttet als es möglich gewesen wäre. Solche 
Rückstellungen gewähren demgegenüber dann aber auch die Mög 
lichkeit, bei einer Verschlechterung der Konjunktur eine höhere 
Dividende zahlen zu können, als es sonst, lediglich nach den Betriebs 
ergebnissen der betreffenden Jahre, der Fall gewesen wäre. Man 
U Taeger, a. a. O.
	        
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