Full text: Methodische Einführung in die allgemeine Wirtschaftsgeographie

§ 6. Geographische Grundlagen des Verkehrs usw. 
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Zur Beurteilung des Verkehrswertes der Wasserstraßen genügt 
nun noch nicht die Anwendung der bisher behandelten Maßstäbe. 
Wir müssen sie vielmehr auch ihrer Richtung nach zu dem von ihnen 
durchzogenen Lande in Beziehung setzen. Als ideale Wasserstraße 
für ein Gebiet kann immer nur die gelten, die in möglichst wenig 
gekrümmtem Laufe bei genügenden Wassertiefen, und weder durch 
Riffe noch durch zu großes Gefälle gestört, nahezu senkrecht zur 
mittleren Küstenrichtung in das Innere führt. Es gibt manche infolge 
ihrer Eigenart für die Schiffahrt als solche sehr geeigneten Ströme, 
die verkehrsgeographisch doch nicht zu den besseren Wegen gerechnet 
werden können. Ein besonders bezeichnendes Beispiel für solche Ver 
hältnisse haben wir in den beiden Strömen unserer Festlandkolonie 
auf Neuguinea, dem Ramu und dem Kaiserin-Augusta-Fluß, zu er 
blicken, die beide wegen ihrer zahlreichen Windungen und ihrer 
Richtung zur Küste für die Verbindung dieser mit dem Innern viel 
weniger brauchbar sind, als man nach ihrer Wasserführung und ihren 
Wasser ständen vermuten sollte. Andererseits bilden in dieser Hinsicht 
die deutschen Ströme Verkehrswege von hohem Wert mit einziger 
Ausnahme der Donau, deren Bedeutung im Verkehr ihrer Anlieger 
staaten zwar erheblich über das jetzige Maß hinaus gesteigert werden 
kann, die indessen für den Verkehr jener Länder mit dem Meere nur 
einen recht mangelhaften Notbehelf darstellt. 
So weit die natürlichen Verhältnisse der Binnenwasserstraßen in 
ihrer Bedeutung für den Verkehr. Wie bei der Untersuchung der 
Eisenbahnen sind nun aber auch bei ihnen die der Bevölkerungs 
verteilung und die der Güter- und Personenbewegung entnommenen 
Maßstäbe anzuwenden, wenn vor uns ein erschöpfendes Bild ihrer 
Stellung im Wirtschaftsleben eines Landes und eines Volkes erstehen 
soll. Zu der Anwendung dieser Maßstäbe gehört bis zu einem ge 
wissen Grade auch die Beachtung der Ansatzpunkte der eigentlichen 
Binnenschiffahrt. Es ist ganz verkehrt, die bloßen Küstenlängen zu 
berücksichtigen und so die Strecken zu vernachlässigen, auf denen 
gleichzeitig Seeschiffe verkehren, denn durch diese wird gewisser 
maßen die Länge der Seeküste vergrößert. Doch auch die Schiffahrts 
wege im eigentlichen Binnenlande bedürfen der gleichen Behandlung 
wie die Bahnen. Die Zahl der Häfen und ihre Zwischenräume spielen 
in der Charakteristik einer Binnenwasserstrecke die gleiche Rolle wie 
die Stationen an einer Bahnlinie. So charakterisiert es den Rhein 
in seiner Benutzbarkeit besser als andere Angaben, daß auf je 10 km 
Stromlänge an Häfen und Ladeplätzen entfallen: von Basel bis Straß 
burg nur 0,16, von Straßburg bis Mannheim dagegen 1,8 und von 
diesem Hafen bis Mainz sogar 2,2. 
Von Bedeutung ist zwar wie bei den Bahnen auch die Beziehung 
der Einwohnerzahl der Häfen bestimmter Größe auf das Einheitsmaß 
der Stromlänge, aber doch nicht in dem gleichen Grade wie dort. 
Denn während bei der Eisenbahn der Personenverkehr zum mindesten 
die gleiche Rolle spielt wie der Güterverkehr, tritt er bei den Wegen 
der Binnenschiffahrt wenigstens in den mit einem dichteren Bahnnetz 
versehenen Ländern ganz in den Hintergrund. 
Beispiel: So gab es innerhalb des Deutschen Reiches im Jahre 1907 (dies 
Jahr wurde wegen der Vergleichbarkeit gewählt) auf den deutschen Eisenbahnen 
etwa lOmal so viel Güterwagen wie Personenwagen, während in dem gleichen Jahre 
auf allen deutschen Binnenwasserstraßen etwa 26mal so viel Güter- wie Personenfahr 
zeuge in Betrieb waren, die noch dazu die Personendampfer an Größe vielfach übertrafen.
	        
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