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III. Abschnitt. § 7. Leistungsfähigkeit von Wegen.
§ 7. Leistungsfähigkeit von Wegen.
Wir wenden uns nunmehr einem wichtigen Punkt zu, der die
Leistungsfähigkeit von Verkehrswegen betrifft. Theoretisch vermag
man sich einen Weg mit ununterbrochen aufeinander folgenden Trans
portzügen bedeckt denken, um so die maximale Leistungsfähigkeit
desselben festzustellen. In der Praxis wird die Maximalbelastung des
betreffenden Weges sich indessen weit unter dieser Grenze halten;
die Gründe der Verringerung der Maximalleistung hängen vorwiegend
von der Beschaffenheit der Transportmittel ab. Indessen sind
auch die theoretischen Maximalbelastungen von be
sonderem Interesse, da sie allein uns in die Lage ver
setzen, die verschiedenen Verkehrswege in ihrer Be
deutung für ein Land untereinander zu vergleichen.
Beispiel: Woüen wir uns die Leistungsfähigkeit eines Verkehrsweges vor
stellen, auf dem der Gütertransport von menschlichen Trägern besorgt wird, wie wir
ihnen ja noch heute in ausgedehnten Binnengebieten des tropischen Afrika begegnen.
Nehmen wir an, ein durch die Küstenwaldung oder über ein Bergland hinweg
führender Pfad werde ununterbrochen den ganzen Tag über begangen, ohne daß
zwischen den einzelnen Karawanen auch der geringste Zwischenraum bleibe, und
setzen wir den Fall, daß die von den Karawanen zurückgelegte Länge eines Tage
marsches die hohe Zahl von 20 km erreiche, sowie daß jeder Träger die Last von
30 kg befördere. Nehmen wir endlich an, daß, was sehr hoch gegriffen ist, auf je 3 m
zwei Mann kommen, so betrüge die obere theoretische Belastungsgrenze eines solchen
Trägerweges mit Gütern, auf den Tag berechnet, X ^ X 30_kg __ 4qq jonnen
zu 1000 kg.
Die gleiche Rechnung führen wir für einen mit südafrikanischen Ochsenwagen
befahrenem Verkehrsweg aus, der ebenfalls oft genug Stellen aufweist, an denen die
Wagen nur hintereinander passieren können. Der Wagen trage die (hoch gerechnete)
Last von 2500 kg, die Länge eines Wagens mit voller Bespannung in außerordent
lich mäßigem Ansatz sei 20 m einschließlich des Zwischenraumes zwischen je zwei
bespannten Gefährten, so ergibt sich bei 30 km langem Tagemarsch als theoretische
obere Belastungsgrenze ——- Xl?ü00 kg __ g^gg Tonnen Z u 1000 kg.
Nun ist selbstverständlich, daß die wirkliche Belastungsgrenze
aus den verschiedensten Gründen sehr weit hinter den hier gegebenen
Zahlen zurückbleibt. Diese zeigen aber, wie man die verkehrs
geographische Bedeutung einzelner Wege miteinander vergleichen
kann, denn da die Wege in den obenstehenden Rechnungen als ebene
Pfade ohne jedes Hindernis angenommen sind und da schon ein ein
facher Anstieg sofort eine — berechenbare — Verringerung der
Marschlänge und damit der Belastungsgrenze zur Folge hat, so lassen
sich schließlich auch diese im Aufbau und sonstigen geographischen
Faktoren beruhenden Einwirkungen bei derartigen Vergleichen zur
Bildung eines Urteils über die Bedeutung wirklich vorhandener Wege
benutzen.
Die tatsächliche Belastung eines Weges gibt uns die Statistik
der Verkehrsmittel in den Kulturstaaten in ziemlich ausreichendem
Umfange an. Der Verkehrscharakter eines Gebiets tritt mit besonderer
Deutlichkeit hervor, wenn wir die Personenkilometer oder den Güter
verkehr auf je 1 km der Betriebslänge etwa der Eisenbahn ver
rechnen. So erhalten wir im Jahre 1904 in Bayern rechts des Rheines
auf je 1 km Bahnlänge nur 278000, in Württemberg 428000 und in
dem im Durchgangs- wie im Lokalverkehr gleich wichtigen Baden sogar
514000 Personenkilometer.