22 Anfangsgründe der Volkswirtschaftslehre.
erst unter ganz besonderen und ausnahmsweisen Bedin
gungen entstehen konnte: z. B. wenn der zum Tausch ange
botene Gegenstand in der Seele dessen, der ihn nicht besaß,
ein ganz neues Bedürfnis geweckt hat, ein wegen seiner Neu
heit unwiderstehliches Bedürfnis; wie wenn man einem
Wilden, der niemals etwas anderes als einen Bogen und
Pfeile besaß, eine Flinte angeboten hat, oder manchmal auch
ein Kinderspielzeug, eine Spieldose, eine Flasche Schnaps.
Solche Wunderdinge können den afrikanischen Schwarzen be
stimmen, Gott weiß was abzugeben, um sie zu erhalten.
Noch ein anderer Umstand kann den Tausch ermöglichen,
wenn nämlich der Gegenstand, um dessen Abtretung man den
Besitzer bittet, für ihn überflüssig ist, was der Fall ist, wenn
er ihn doppelt oder dreifach besitzt. Ich sagte von den Kindern,
daß sie nicht gern tauschen oder abgeben, aber der Schüler,
dessen junge Seele schon durch die Berührung mit seinen Ka
meraden gereift ist, und in der sich schon das Interesse Und
die Begierde eingenistet haben, der lernt Briefmarken aus
tauschen. Der Briefmarkenhandel ist ein typisches Beispiel,
weil eine Briefmarkendoublette keinen Wert hat, außer daß
sie gerade als Tauschobjekt dient. Ein Wilder in seiner Sphäre
wird ebenso verfahren. Wenn er etwas doppelt hat, wird er
unter diesen Bedingungen einwilligen können. Aber einem
Wilden passiert es nicht oft, daß er etwas doppelt hat. Er
ist zu arm, um Überfluß zu besitzen; wie könnte er zum Tau
schen geneigt sein?
Richten wir unsere Aufmerksamkeit auf diese große Tat
sache, der wir soeben nebenbei begegnet sind: sie ist eins der
größten Gesetze der Volkswirtschaft, das Gesetz der Beschrän
kung der Bedürfnisse.
In der Tat ist jedes Bedürfnis des Menschen insofern
beschränkt, als es erlischt, sobald es mit einem einzigen Gegeü-
stand oder mit einer Anzahl Gegenständen befriedigt ist, und
umso schneller, je einfacher und primitiver das Bedürfnis ist.
Der Durst wird mit einem Glas Wasser gestillt, und würde
man hundert Glas anbieten, so würden sie dem, dessen Durst
schon gestillt ist, kein Vergnügen bereiten. Mit dem täglichen
Brot ist es ungefähr ebenso.
Ganz besonders bei den Wilden sind die Bedürfnisse ein
fach, so daß die Grenze der Sättigung sehr schnell erreicht ist;
wenn sie haben, was sie brauchen, so haben sie kein weiteres
Bedürfnis.