Full text: Denkschrift betreffend die Neuregelung der handelspolitischen Beziehungen Deutschlands zu den Vereinigten Staaten von Amerika

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nisse der Textil-, dann der Feineisen-, 
Leder-, Papier-Industrie usvv. 
Wenn man sich des Schicksals erinnert, das 
der Entwarf des französisch-amerikanischen Ver 
trags vom Jahre 1899 im Senat zu Washington 
hatte, wenn man sich vor Augen hält, wie heftig 
man die vorgeschlagenen fünf- und zehnprozentigen 
Reduktionen der amerikanischen Zölle auf die Textil 
produkte Frankreichs bekämpfte, so muß es zunächst, 
nachdem die republikanische Partei auf der ganzen 
Linie einen Sieg, glänzender als je, errungen hat, als 
ziemlich unwahrscheinlich gelten, daß eine vertrag 
liche Herabminderung der amerikanischen Zölle auf 
Textilprodukte usw. so leicht durchzusetzen sei. 
Vielfach taucht nun allerdings die Nachricht 
auf, daß der Präsident im Herbst eine besondere 
Session des Kongresses anberaümen werde, speziell 
zum Zweck einer Revision des Tarifs. Von 
dieser Ankündigung aber darf man sich nicht zu 
viel versprechen. Wenn sich ferner das Finance 
Committee des Senats in Permanenz erklärt hat, 
um zu beraten über „Tariff, internal revenue and 
custom matters“, so ist das auch nicht auffällig; 
diese Permanenzerklärung des Finance Committee 
findet fast bei jeder Vertagung des Kongresses statt. 
Weiters ist bei der oben genannten Tagesordnung 
der Nachdruck auf revenue zu legen; für die 
steigenden Ausgaben der Union, insbesondere für 
die Marine, sollen neue Einnahmequellen erschlossen 
werden. Es dürfte sich in der Hauptsache um 
innere Steuern handeln. Das ergibt sich ohne 
weiteres auch aus dem Umstande, daß man, soweit 
bisher bekannt geworden, keine öffentlichen Ver 
nehmungen (public hearings) veranstalten will, 
— eine Maßregel, die bisher allen größeren Tarif 
reformen der Union vorausging, — daß man sich 
vielmehr auf die Vernehmung von Beamten des 
Treasury-Departements beschränken will. Und 
endlich: Wenn eine Tarifreform größeren Stiles 
ernsthaft ins Auge gefaßt worden wäre, so müßte 
die Initiative dazu verfassungsmäßig vom Re 
präsentantenhaus ausgehen, nicht vom Senat. 
Davon aber, daß das Ways- and Means-Committee 
sich in irgend einer Form mit der Sache befaßt 
hat, ist noch nichts bekannt geworden. Sonach 
glauben wir, daß es sich bei der außerordentlichen 
Tagung des Kongresses im Herbst — vorausge 
setzt, daß eine solche tatsächlich einberufen wird, 
- kaum um eine Tarifrevision handelt, welche 
auf eine Minderung der Industriezölle abzielt. 
Seines Charakters als stark protektionistischer Tarif 
wird das amerikanische Zollgesetz nicht so rasch 
entkleidet werden. Hoffnungen in dieser Hinsicht 
an die Extrasession des amerikanischen Kongresses 
zu knüpfen, dürfte u. E. leicht Enttäuschungen 
vorbereiten.
	        
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