Full text: Untersuchungen über das Versicherungswesen in Deutschland

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II. Öffentliche Versicherung. 
Auf die Verschiebungen, die in dem Verhältnisse zwischen den Ver 
sicherungsbeiträgen und den Zinseinnahmen eingetreten sind, wird noch 
an späterer Stelle einzugehen sein. 
Untersucht man die Herkunft dieser ganzen Einnahmen und ihren 
Einfluß auf die Wirtschaftsführung derjenigen Kreise, die sie aufzubringen 
haben, so kann man die Zinseinnahmen zunächst außer Betracht lassen; 
bei ihnen hängt alles von der Art der Vermögensanlage und den Ver 
wendungszwecken der ausgeliehenen Kapitalien ab; darüber aber wird 
besonders zu sprechen sein. 
Die Zuschüsse des Reiches zu den Kosten der Invaliden 
versicherung sind eine im Versicherungswesen ungewöhnliche Erscheinung; 
ganz besonders wegen ihrer großen Höhe: wurde doch durch die Reichs 
zuschüsse mehr als ein volles Drittel der ganzen bisherigen Renten 
zahlungen bestritten. Zwar sinkt diese Anteilsquote allmählich — zehn 
Jahre vorher (1900) stammten noch beinahe 40 °/o aller geleisteten 
Rentenbeträge aus den Reichszuschüssen —, und sie wird auch noch eine 
gewisse Zeitlang weiter sinken, weil der durchschnittliche Betrag der be 
willigten Renten noch" steigt (längere Versicherungsdauer, Verwendung 
höherer Beitragsmarken), der Reichszuschuß aber die feste Summe von 
50 Mk. behält. Aber sie wird doch stets einen sehr erheblichen Teil der 
Rentenlasten ausmachen, zumal nach der Einführung der Hinterbliebenen 
versicherung, zu deren Kosten weitere Reichszuschüsse geleistet werden. 
Zweifellos fehlt der Invalidenversicherung unter diesen Umständen eines 
der charakteristischsten Merkmale der reinen Versicherungseinrichtungen, 
und es tritt das Moment der ergänzenden staatlichen Fürsorge hinzu. 
Ihre Begründung findet diese zunächst in dem allgemeinen Staats 
interesse, das eine angemessene Sicherung der breiten, wirtschaftlich ab 
hängigen Massen bei Invalidität und hohem Alter aus sittlichen Gründen 
als notwendig und aus politischen Gründen als zweckmäßig erscheinen läßt*. 
1 Bei der Ausstellung der ersten Pläne zur Jnvaliditätssürforge ging Bismarck 
sogar von dem Gedanken aus, die erwerbsunfähigen Arbeiter einzig und allein durch 
freie Zuwendungen aus Reichsmitteln gegen die Folgen von Alter und Invalidität 
zu schützen, wie es bekanntlich neuerdings im Auslande stellenweise geschehen ist- 
Sein politisches Ziel dabei hat er u. a. in der bekannten* Reichstagsrede vom 
18. Mai 1889 folgendermaßen ausgesprochen: „Wenn wir 700000 kleine Rentner, 
die vom Reiche ihre Rente beziehen, haben, gerade in den Klassen, die sonst nicht 
viel zu verlieren haben und bei einer Veränderung irrtümlich glauben, daß sie viel 
gewinnen können, so halte ich das für einen außerordentlichen Vorteil. Wenn sie 
auch nur 115—200 Mk. zu verlieren haben, so erhält sie doch das Metall in ihrer
	        
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