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eines Gipsverbandes. Bestehen bereits Kontrakturen, so gehen diese
meist in Narkose von selbst zurück. Das Wesentliche ist, daß das Gelenk
in der für den Gebrauch besten Stellung fixiert wird, da man nie
voraussagen kann, inwieweit sich die Beweglichkeit wiederherstellen
wird. Bei dieser Behandlung mit Gipsverbänden können die Patien-
ten auch, wenn das akute Stadium vorüber ist, wenn keine größeren
Schmerzen und Fieber bestehen, nach Haus entlassen werden, was
wesentlich zur Kostenersparnis beiträgt. Bei den Wirbeltuberkulosen
kommt im Beginn ausschließlich völlige Ruhe im Gipsbett in Be-
tracht. Durch kreuzweises Unterlegen von Watte- oder Filzstreifen
kann man J o selbst größere Buckel noch zurückbringen. Ein Aufstehen
der Patienten, sei es im Gehverband oder im Gipskorsett (stets mit
Einschluß des Kopfes, abgesehen vom untersten Lendenwirbel), ist erst
erlaubt, wenn alle Reizerscheinungen geschwunden sind. Da man im
besten Falle 45 Jahre zur Heilung braucht und die Gelenke stets die
Neigung zur Beugekontraktur behalten und die Wirbelsäule desgl.
zur Buckelbildung, so ist auch nach Abschluß der Gipsbehandlung noch
das Tragen von Apparaten und Korsetten erforderlich, die erst ganz all-
mählich abgelegt werden dürfen. Neben dieser lokalen Behandlung spielt
die Allgemeinbehandlung des Körpers die Hauptrolle. Ganz außer-
ordentliche Heilerfolge (besonders in Bezug auf Beweglichkeit) hat die
Behandlung im Hochgebirge (Bessonnung) ergeben; ähnlich gute Re-
sultate hat auch die Behandlung an der See gezeitigt. Neuere Er-
fahrungen haben auch gezeigt, daß eine Freiluftbehandlung in wind-
geschützter ländlicher Gegend ausreicht, eine wesentliche Besserung der
Heilerfolge herbeizuführen. Auch in hiessigem Klima können die Pa-
tienten auf Veranden, die durch Fenster versschließbar sind, selbst im
Winter ständig liegen. Bald hebt sich der Appetit, röten sich die
Wangen, nimmt das Gewicht zu, und damit ist auch die Gewalt der
Erkrankung gebrochen. Bestrahlungen mit künstlicher Höhensonne
müssen dabei z. T. die fehlende natürliche Besonnung ersetzen. Ein
operativer Eingriff vor Abschluß des Wachstums ist heute verpönt.
Es kommen höchstens Eingriffe in Betracht, um das Leben zu er-
halten. Auch vor einem operativen Vorgehen bei der Wirbeltuber-
kulose (sogen. „Albee“sche Operation, bestehend in Einpflanzung eines
Knochenspans in die Wirbelsäule behufs Versteifung) ist zu warnen,
da die Heilung durch sie weder gesichert noch beschleunigt wird.
Dagegen besteht nach Beendigung des Wachstums eine soziale
Indikation zur Operation. Kann ich z. B. bei einem Arbeiter, einem
Familienvater, der an Knietuberkulose leidet, durch Herausnahme des
Gelenks den Patienten in einem halben Jahre wieder arbeitsfähig
machen, während ich bei konservativer Methode dazu 4~5 Jahre nötig
hätte, so läßt sich durch das operative Verfahren eine ganz außer-
ordentliche Ersparnis an Zeit und Geld herbeiführen.