Full text: Die deutsche Wirtschaft

Reichsverfassung und Wirtschaft, 133 
Zweige der Verwaltung bestehen besondere sachkundige Beiräte, Die 
Arbeitnehmerschaft wurde immer vollständiger in den mächtig an- 
schwellenden und zu starken politischen Faktoren gewordenen Gewerk- 
schaften organisiert, Es ist bezeichnend, daß von den früher so dringend 
verlangten Arbeitskammern heute noch kaum etwas verlautet, Die 
ımmer stärker in den Vordergrund tretenden wirtschaftlichen Aufgaben 
haben auch dem Reichstag zahlreiche Vertreter wirtschaftlicher Inter- 
essen zugeführt, Wenn die Wirtschaft noch in einem besonderen Organ 
zu Worte kommen sollte, so hätte es sich nur um eine unabhängige, 
sichtende und begutachtende Stelle handeln dürfen, wie es vor der 
Revolution der Wirtschaftliche Ausschuß war. Statt dessen setzt die 
Verordnung den Wirtschaftsrat, abgesehen von 24 durch den Reichsrat 
und die Reichsregierung zu ernennenden Mitgliedern, aus Entsandten 
der Interessenvertretungen selbst zusammen und kommt, weil keiner 
übergangen werden darf, auf 326 Mitglieder, Diese sollen nun freilich 
Vertreter der wirtschaftlichen Interessen des ganzen Volkes und an 
Aufträge nicht gebunden sein, aber sie liegen naturgemäß in ihren Auf- 
fassungen fest. Das Ergebnis der Verhandlungen ist daher regelmäßig 
von vornherein zu übersehen, Die Teilnahme an den Verhandlungen 
einer so großen und anspruchsvollen Versammlung bedeutet für den 
Regierungsapparat eine neben der Inanspruchnahme durch den Reichs- 
tag kaum tragbare Belastung. Sachliche Information läßt sich auch 
auf einfacherem Wege beschaffen. Trotz seiner staatsrechtlichen Be- 
deutungslosigkeit muß selbst dieser Vorläufige Wirtschaftsrat dem 
Reichstag naturgemäß als möglicher. Ansatz zu einer Änderung in der 
Bildung der Volksvertretung verdächtig sein, Dazu kommt, seitdem in 
Deutschland Geld wieder eine Rolle spielt, die gar nicht zu verant- 
wortende Kostspieligkeit. Auch der Vorläufige Reichswirtschaftsrat 
mußte deshalb dem Abbau verfallen, Nur noch die Mitglieder des nach 
Artikel 11 der Verordnung zu wählenden wirtschaftspolitischen und 
sozialpolilischen Ausschusses sind im Besitze von Freifahrkarten ge- 
lassen worden, So scheinen die Verhältnisse dahin zu wirken, daß 
von den Gedanken des verfassungsmäßigen und des Vorläufigen Reichs- 
wirtschaftsrates das übrigbleibt, was nach der gegenwärtigen Gestal- 
tung des Reichs praktisch allein brauchbar ist: ein kleiner Beirat für 
die Vorbereitung wichtiger wirtschaftlicher und sozialpolitischer Maß- 
nahmen, Andererseits hat sich aber wohl gezeigt, daß der Gedanke 
einer Fortbildung unseres verfassungsmäßigen Zustandes durch Ein- 
fügung einer berufsständischen Vertretung jedenfalls nicht in der 
Weise verwirklicht werden könnte, daß ein berufsständisches Parla- 
ment neben das auf allgemeinen gleichen Wahlen beruhende Parlament 
gesetzt wird, sondern daß, wenn die parlamentarische Maschinerie
	        
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