_ Schutzwaldgesetzgebung. 191
Die zur Zeit in den Ländern des Deutschen Reiches geltende
Schutzwaldgesetzgebung.
Vor dem Eindringen liberalistischer Wirtschaftsideen in die deutsche Volkswirtschaft
und der hierdurch in einzelnen Ländern bewirkten mehr oder weniger weitgehenden
Freigabe der Privatwaldwirtschaft erübrigte sich eine besondere Schutzwaldgesetgebung
deshalb, weil die in allen Ländern des Deutschen Reiches bestehende, von merkantilistischem
Geist durchwehte Forslpolizeigesetzgebung zum Schutze des Gemeinwohls durch den Wald
mehr als ausreichend war. Damit hängt es zusammen, daß sich eine Schutzwaldgesetzgebung
in Deutschland erst von der Mitte des 19. Jahrhunderts ab herausbildete. An einer
Schutzwaldgesetzgebung sind ganz naturgemäß vor allem solche Länder interessiert, die
Gebirgsgegenden (wie z. B. Bayern) und Küstensäume mit Sanddünen (wie z.. B.
Preußen) besitzen. In diesen Ländern hat sich denn auch eine Schutzwaldgesetzgebung
tatsächlich zuerst entwickell. Bayern ist vorausgegangen und ihm ist Preußen gefolgt.
Bayern und Preußen sind neben Gotha auch heute noch die einzigen Länder des Deutschen
Reiches, in denen eine b e s o n d e r e Schutzwaldgesetzgebung existiert.
In Bay ern gelten die Bestimmungen des Forstgesetes vom 28. März 1852 und
der Forstgesetznovelle vom 17. Juni 1896. Diese Novelle behält zwar den Wortlaut des
Gesetzes von 1852 bezüglich der Charakterisierung des Schutzwaldes bei (früher Art. 36,
jetzt Art. 35), untersagt aber nicht mehr unbedingt den Kahlabtrieb und läßt dem Wald-
besizer die Möglichkeit, eine rechtskräftige Entscheidung über den Schutzwaldcharakter seines
Waldes zu fordern.
Nach Art. 35 der Forstgesetznovele von 1896 gelten folgende Wälder als
Schutzwälder:
solche auf Bergkuppen und Höhenzügen und an steilen Bergwänden;
solche auf Hochgebirgs-Steingerölle, in Hochlagen der Alpen und an allen Orten,
wo die Bewaldung Bergstürze und Lawinen verhindert oder wo die Entfernung
des Waldes dem Sturmwinde Einlaß gewährt;
solche in Lagen, wo von dem Dasein des Waldes die Verhütung von Sandschollen
oder die Erhaltung von Quellen und Flußufern abhängig ist.
Das Rodung sverbot und die bedingte Zulassung des Kahl-
ab tr i e b s sind nach Art. 34? und 39 die Maßnahmen, durch welche die Schutzwälder
beschränkt werden.
Die Bestimmungen des Gesetzes beziehen sich nur auf den e x i st i e r e n d e n Schutz-
wald; die Neuanlage von Schutzwaldungen wird nicht gefordert.
Da auch eine Ausscheidung und Registrierung aller existierenden Schutzwaldungen
im Gesetz nicht angeordnet wird, taucht die Frage nach dem Schutzwaldcharakter eines
bestimmten Waldes erst dann auf, wenn der Waldbesitzer ihn zu lichten, kahlzuhauen
oder zu roden beabsichtigt. Waldbesitzer, welche sich über den Schutzwaldcharakter ihres:
Waldes im Zweifel sind, können eine dahingehende Entscheidung bei der Forstpolizei-
behörde beantragen. Diese kann jedoch nur in besonderen, einfach liegenden Fällen durch
„Beschluß“ selbst entscheiden; wenn gegen ihren Beschluß Einspruch erhoben wird, wenn der
Fall besonders wichtig oder zweifelhaft ist und in anderen Fällen wird die „Entscheidung““
durch eine Kommission in einer förmlichen mündlichen Verhandlung herbeigeführt.
Entschädigungsansprüche des Eigentümers werden nicht anerkannt.