F. Maschinenindustrie und Konjunktur.
Die wirtschaftliche Lage der Maschinenindustrie als der eigentlichen Produktionsmittel-
industrie muß in besonders hohem Maße von der allgemeinen Wirtschaftskonjunktur ab-
hängen; es ist zu erwarten, daß ihre Konjunkturempfindlichkeit weit über dem Durchschnitt
liegt. Denn während die Schwankungen in der Nachfrage nach Gütern des Massenverbrauchs
sich naturgemäß innerhalb verhältnismäßig enger Grenzen bewegen, ist die Nachfrage nach
Produktionsmitteln für Neuanlagen, Erweiterungen und Verbesserungen von Betrieben
nicht nur in Zeiten des Konjunkturaufschwungs und der Haussespekulation außerordentlich
steigerungsfähig, sondern sie kann andererseits auch sehr stark vermindert werden, da es
ohne weiteres möglich ist, in Zeiten der allgemeinen Krise und Absatzeinschränkung auf
kürzere oder längere Zeit mit den bisherigen schon nur teilweise ausgenutzten Produktions-
mitteln die Produktion aufrecht zu erhalten.
Wie unter 4 B an der Bewegung des Beschäftigungsgrades in den wichtigsten Maschinen-
produktionsländern gezeigt wird, war die Konjunktur für die einzelnen Länder in der Nach-
kriegszeit keineswegs eine einheitliche. Auch in der Gegenwart hat sich noch keine volle
Gleichmäßigkeit im Konjunkturverlauf herausgebildet, deren Rückkehr jedoch in dem Maße
zu erwarten steht, in dem die Währungen aller beteiligten Länder ihren Anschluß an das
Gold gesichert haben werden.
Der gegenwärtige Stand kann folgendermaßen charakterisiert werden:
Die Vereinigten Staaten, die seit Mitte 1924 eine steigende Konjunktur zu verzeichnen
hatten — wie aus der Abbildung 2 ersichtlich, steigt seit Mitte 1924 (parallel mit der Ent-
wicklung der Gesamtkonjunktur) auch der Beschäftigungsgrad im Maschinenbau —, halten
sich aut dem erreichten“*hohen Niveau; es machen sich‘ keinerlei Anzeichen für einen Nieder-
gang der Konjunktur bemerkbar. |
- Abweichend davon hat sich die Konjunktur in denjenigen europäischen Ländern bewegt,
die eine stabile Währung aufzuweisen „haben. ‚Hier war im, Verlaufe des ersten halben
Jahres 1926 ein gewisser Tiefpunkt erreicht, der in Deutschland den Beschäftigungsgrad im
Maschinenbau im 3. Vierteljahr auf 50,5% herabdrückte. In diesen Ländern ist jedoch der
tiefste Punkt bereits überschritten und die Konjunktur zieht an, was sich besonders in
Deutschland an einer Zunahme der Aufträge für den Maschinenbau bemerkbar macht.
Eine gewisse Dämpfung allerdings wird für die europäische Konjunktur von solchen
Staaten ausgehen, die entweder in der Stabilisierung ihrer Währung schon begriffen sind,
denen diese noch bevorsteht, oder die eine Deflationspolitik betreiben. Die mit diesen
Währungsvorgängen verbundenen krisenhaften Erscheinungen werden die Nachfrage dieser
Länder sowohl nach selbsterzeugten als auch nach eingeführten Maschinen vermindern.
Die im Gange befindliche Industrialisierung bisheriger Rohstoffländer ohne eigene
Maschinenindustrie wird sich aller Voraussicht nach fortsetzen und steigern. Hier wäre ein
ganz besonders starker Auftrieb für die Maschinenindustrie der Welt von dem Augenblick
an zu erwarten, wo ein so dicht besiedeltes Land wie China nach Überwindung seiner inneren
Wirren vollen Anschluß an den Weltmarkt nehmen würde.
Eine gewisse Zwischenstellung nimmt Rußland ein, das zwar bereits eine eigene
Maschinenindustrie besitzt, deren Produktionsfähigkeit aber auf absehbare Zeit hinaus noch
nicht ausreichen wird, um den Maschinenbedarf, der von der Industrialisierung dieses großen
Landes ausgeht, zu befriedigen; wobei allerdings auch hier das Zeitmaß der Industriali-
sierung sehr stark von der Entwicklung der politischen Verhältnisse abhängig sein dürfte.
G. Maschinenindustrie und Industrialisierung.
Wenn im vorstehenden die Industrialisierung bisheriger Rohstoffländer unter dem Ge-
sichtspunkt der bereits bestehenden Maschinenindustrien und ihrer Absatzaussichten aus-
schließlich positiv bewertet wurde, so scheint doch gerade das Beispiel Rußlands die Frage
nahezulegen, ob diese Wertung nicht kurzsichtig ist, und ob nicht die Gefahr droht, daß die
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