Theoret. Versöhnungspolitik (Die Werttheorie von Tugan-Baranowsky) 179
räsoniert. Etwas abseits steht der unvergleichliche Peter Struve,
diese schwere Artillerie der kadettisch-oktobristischen Gelehrsam-
keit. All diese ehrwürdigen Männer haben ein für allemal mit
ihrer Vergangenheit gebrochen, die sie nun zu den „Jugendsün-
den‘‘ zählen; sie schreiten ohne Kompromisse vorwärts, — diese
Ritter des russischen Kapitalismus. Und nun weit dahinter, doch
mit der offensichtlichen Absicht, seine Kollegen einzuholen, trabt
Herr Professor Tugan-Baranowsky, der frühere Marxist und
jetzige Ratgeber der Industriellen, nach. Später als die anderen
fing er an über das Christentum zu murmeln. Noch kokettiert er
mit dem Marxismus, wofür manche naive Leute ihn zu den fast
„Roten‘‘ zählen. Mit einem Worte, er ist ein „Versöhnungsapostel‘‘.
Er kann sich nicht entschließen, ganz und gar in das Lager der
Feinde des Proletariats und seiner Theorie überzutreten; er zieht
es nur vor, wie er sagt, „den Marxismus von den unwissenschaft-
lichen Elementen‘ zu befreien. Und gerade dadurch täuscht er
am meisten, darin ist die schädlichste Seite seiner theoretischen
Tätigkeit. Er will nicht einfach die Arbeitswerttheorie „verneinen‘“‘,
er sucht sie mit der Theorie Böhm-Bawerks, dieses klassischen
Vertreters der bourgeoisen Gelüste, zu vereinigen. Der Leser wird
nun sehen, welches die Ergebnisse dieser Bemühungen von Tugan-
Baranowsky auf dem Gebiete des Hauptproblems der politischen
Oekonomie — dem der Werttheorie — sind.
1. DIE „FORMEL“ TUGAN-BARANOWSKYS
Herr Tugan-Baranowsky beginnt mit einem Lobgesang auf
Böhm-Bawerk.
„Das große Verdienst der neuen Theorie — meint er — besteht
darin, daß sie uns verspricht, den Streit über den Wert für immer
zum Abschluß zu bringen, denn ausgehend von einem einzigen
einheitlichen Grundprinzip, gibt sie eine vollständige (!) und er-
schöpfende (!!) Erklärung für die sämtlich en Erscheinungen
des Wertungsprozesses*.“
Und an anderer Stelle: „Die Grenznutzentheorie wird für
immer die grundlegende Lehre vom Werte bleiben; in ihren Teilen
kann sie in der Zukunft verändert und vervollständigt werden,
doch in ihren Grundideen bildet sie eine ewige Errungenschaft der
ökonomischen Wissenschaft? “*
„Ewige Errungenschaft der ökonomischen Wissenschaft‘. Das
klingt stolz. Freilich, in Wirklichkeit sieht diese „Errungenschaft“
1 Tugan-Baranowsky: „Grundzüge der politischen Oekonomie“, S. 40,
2. AUf WON, russisch.
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