178 Der prolet. Klassenkampf zur Unterstützung des kolonialen Freiheitskampfes.
geführt. Es tut mir leid, daß er schon seit einigen Jahren tot ist, denn ich
würde gern sehen, ob er hier, auf diesem Kongreß, seine merkwürdige Mei-
nung wiederholen würde, daß die Arbeiterklasse eines besonderen Landes
in der Lage wäre, eine sozialistische Kolonialpolitik zu betreiben. Man er-
nannte damals eine Kommission. In dieser Kommission gewann die revisio-
nistische Auffassung die Oberhand, und die Minorität wählte mich als Be-
richterstatter der Minderheit im Plenum gegen diese holländische Kom-
mission. Wir hatten einen mächtigen Kampf. Schließlich gelang es uns, die
Mehrheit jenes sozialistischen Kongresses davon zu überzeugen, daß Sozia-
lismus und Kolonialpolitik nichts miteinander zu tun haben, so wenig wie
Feuer und Wasser, und daß es ein wahrer Unsinn ist, von einer sozialistischen
Kolonialpolitik zu sprechen. Genau so wie es wahrer Unsinn wäre, von
feurigem Wasser oder wässrigem Feuer zu reden. Endlich wurde ein Zusatz-
antrag der revolutionären Gruppe zur Resolution der Majorität mit einem
Stimmenverhältnis von 127 zu 108 angenommen. Es war auf jeden Fall
nur eine kleine Majorität. Dann wurde die ganze Resolution, so wie wir sie
geändert hatten, zur Abstimmung gebracht. Der ganze Kongreß nahm ein-
stimmig diese revolutionäre Resolution an. Alle nationalen Sektionen stimm-
ten für uns, nur eine Sektion enthielt sich der Stimme, das war die hol-
ländische, welche von Van Kol geführt wurde. Aber nun gibt es
einige interessante Tatsachen dabei. Während dieser Diskussion war einer
der Gegner der revolutionären Auffassung auf englischer Seite, der Genosse
MacDonald. Aber nachdem MacDonald gegen unseren Zusatzantrag gestimmt
hatte, hob er auch seine Hand zur Abstimmung in Verdammnis aller Kolo-
nialpolitik. Ich konstatiere nur Tatsachen. Ich stelle auch an Mac
Donald nicht einmal die Anfrage, lieber Freund, hast Du denn Deine Ab“
stimmung von 1907 vergessen? Aber vielleicht werden einige der englischen
Genossen, die ich mit Freude hier sehe, die Gelegenheit im englischen Par-
lament ergreifen und meinem ehemaligen Freunde MacDonald diese F rage
stellen. Damit Ihr die Entwicklung seiner Idee gut versteht, wiederhole ich
hier die einleitenden Sätze dieser Resolution, für die MacDonald mit der
ganzen englischen Sektion stimmte:
„Der Kongreß ist der Meinung, daß die Kolonialpolitik des Kapita-
lismus entsprechend ihrer Struktur zur Sklaverei, Zwangsarbeit oder
Vernichtung der Kolonialvölker führen muß. Die zivilisatorische Mis-
sion, welche die kapitalistischen Staaten angeblich ausführen, dienen
nur als Deckmantel für Eroberung und Raub.“
Nun, es ist zwar bedauerlich, aber nicht überraschend, daß MacDonald,
als er in seiner Stellung als Premierminister Großbritanniens eine so glän-
zende Möglichkeit hatte, für seine Abstimmung von 1907 einzutreten,
diese Möglichkeit vollkommen unausgenutzt vorbeigehen ließ. Aber ich muß