Full text: 10 Jahre Wiederaufbau

Dazu traten ergänzend noch die Gesetze vom 
23. November 1927, B. G. Bl. Nr. 338, betreffend 
die Altersrente der Bergarbeiter, und vom 17. De- 
zember 1927, B. G. Bl. Nr. 368, betreffend die 
Altersfürsorgerente der Hausgehilfen. 
Die Durchführung der in den erwähnten Gesetzen 
als Übergang zur allgemeinen Altersversicherung an- 
geordneten Fürsorgemaßnahmen obliegt den terri- 
torialen Arbeiter-Unfallversicherungs-Anstalten. Diese 
werden also bis zum Inslebentreten der künftigen 
Arbeiter-Versicherungs-Anstalt den Boden für die 
neue Sozialversicherung und deren Organisation 
vorzubereiten und nach vollzogener Liquidation in 
der neuen Anstalt aufzugehen haben. Wenn damit 
auch eine neue Organisationsform ins Leben treten 
wird, so haben die territorialen Unfallversicherungs- 
Anstalten doch nicht umsonst gewirkt, denn auf 
:hren Errungenschaften wird sich die neue Anstalt 
aufbauen: „Das Alte stürzt und neues Leben blüht 
aus den Ruinen!” 
DIE ESTERREICHISCHEN ARBEITERKAMMERN IN DEN. SIEBEN 
JAHREN IHRES BESTANDES 
Von Dr. Fritz Rager, Sekretär der Wiener Arbeiterkammer. 
Die Kammern für Arbeiter und Angestellte bestehen 
in Oesterreich seit dem Jahre 1920 auf Grund der Ge- 
setze vom 26. Februar 1920 und vom I. Oktober des- 
selben Jahres über die Errichtung von Arbeiterkammern. 
Danach sind in jedem Standort einer österreichischen 
Handelskammer Arbeiterkammern zur Vertretung der 
wirtschaftlichen Interessen der im Gewerbe, in der In- 
dustrie, im Handel, Verkehr und Bergbau tätigen 
Arbeiter und Angestellten, zur Förderung der auf die 
Gesetzgebung der wirtschaftlichen und sozialen Lage der 
Arbeiter und Angestellten abzielenden Bestrebungen, 
geschaffen worden. 
Derzeit bestehen acht Arbeiterkammern, und zwar in 
Wien — diese Kammer fungiert für die Bundesländer 
Wien und Niederösterreich —, Graz, Linz, Salzburg, Inns- 
bruck, Feldkirch und Klagenfurt. Die Kärntner Kammer 
wurde mit Rücksicht auf die jugoslawische Besetzung des 
Landes ein Jahr später als die anderen Kammern ins 
Leben gerufen. Im Burgenland wurde im Oktober 1925 
in Beirat der Wiener Arbeiterkammer für das Burgenland, 
nit dem Wirkungskreis einer Arbeiterkammer, eröffnet. Die 
acht Arbeiterkammern finden eine im Gesetz auch vor- 
gesehene organisatorische Zusammenfassung im Arbeiter- 
kammertag, dessen Geschäfte von der Wiener Kammer 
geführt werden. Die Kammer besteht aus gewählten 
Mitgliedern, deren Zahl zwischen 30 und 130 je nach 
der Größe des Sprengels schwankt und zerfällt in vier 
Sektionen: für Arbeiter, Privatangestellte, Verkehrs- 
arbeiter und Verkehrsangestellte. Die Geschäfte der 
Kammern werden durch die Vollversammlung, die 
Sektionen, die Ausschüsse und vor allem durch den aus 
dem Präsidenten und den Sektionsobmännern bestehen- 
den Vorstand geführt, dem zur Versehung der Konzepts-, 
Kanzlei- und Kassageschäfte ein Kammerbüro mit stän- 
dig angestellten Fachbeamten zur Seite steht. Die 
Kosten der Kammern werden durch Zuschläge zu den 
Krankenkassenbeiträgen ausschließlich von den Arbeit- 
nehmern selbst getragen. Mit Rücksicht auf die große 
Zahl der Umlagepflichtigen ist es möglich, den Kammer- 
beitrag auf ein sehr geringes, einige Groschen pro 
Kopf und Lohnwoche betragendes Ausmaß zu beschrän- 
ken. Die Wahl in die Arbeiterkammer erfolgt auf Grund 
der Verordnung vom 10. November 1920, durch welche 
:»ine Wahlordnung geschaffen wurde, auf Grund eines 
gleichen, allgemeinen, direkten, proportionalen Wahl- 
;ystemes; die aktive Wahlberechtigung besitzen alle 
nindestens I18jährigen Arbeiter und Angestellten, ohne 
Jnterschied der Staatsangehörigkeit, die am Tage der 
Wahlausschreibung im Kammersprengel seit mindestens 
zwei Monaten beschäftigt sind. Entsprechend der über- 
wiegenden Bedeutung der freien Gewerkschaftsrichtung 
n der wirtschaftlichen Arbeiterbewegung Oesterreichs ist 
lie Mehrheit aller Arbeiterkanmern und sämtliche 
Cammervorstände freigewerkschaftlich; ausschließlich in 
/orarlberg stehen 20 freigewerkschaftlichen Mitgliedern 
'‚eit der letzten Wahl 20 Vertreter der christlichsozialen 
ınd völkischen Gewerkschaften gegenüher. Seit dem 
3eginn der Wirksamkeit der Arbeiterkammern haben 
zwei Wahlen stattgefunden, da die Funktionsperiode 
ler Kammern mit fünf Jahren bemessen ist. Bei der 
etzten Wahl in die maßgebende Arbeiterkammer in 
Wien wurden 347.511 Stimmen abgegeben, von denen 
184.957 auf die freien Gewerkschaften, 30.750 auf die 
hristlichsoziale, 20.562 auf die deutschvölkische und 
‚0.233 auf die kommunistische Fraktion entfielen. In der 
:weitgrößten österreichischen Arbeiterkammer, in Graz, 
vurden bei der letzten Wahl 71.3900 Stimmen abge- 
zeben, von denen 54.9051 auf die freien Gewerkschaften, 
5807 auf die Christlichsozialen, 6280 auf die Deutsch- 
‚ölkischen, 4130 auf die Kommunisten entfielen. 
Die Arbeiterkammern haben sich in den abgelaufenen 
ieben Jahren ihres Bestandes eine angesehene 
”osition im öffentlichen Leben Oesterreihs zu 
üichern verstanden. Bei ihrer Entstehung gab es aller- 
lings genug Stimmen des Zweifels darüber, ob diese 
1euen FKinrichtungen Sinn und Lebensberechtigung be- 
itzen würden. Insbesondere wurde auch innerhalb der 
\rbeiterschaft selbst zu Zeiten die Meinung vertreten, 
laß es sich um eine Parallelorganisation zu den ohne- 
un bestehenden und äußerst wirksamen gewerkschaft- 
ichen Fachverbänden handle. Wenn die Schöpfer der 
ırbeiterkammern, vor allem aber der vor einigen Jahren
	        
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