Full text: 10 Jahre Wiederaufbau

diesem Zusammenhange sei das auf Anregung deı 
Kammer gegründete Berufungsamt der Gemeinde Wien 
and der Kammer für Arbeiter und Angestellte erwähnt, 
das im letzten Jahre 14.285 Knaben und Mädchen in 
Wien berufsberaten und in 3697 Lehrstellen vermittelt 
hat. — Die Studienbibliothek der Wiener Arbeiter- 
kammer ist aus den eigenen Bücherbeständen der 
Kammer und aus den gewidmeten Bibliotheken der ver- 
storbenen Arbeiterführer Viktor Adler, Perner- 
storfer und Winarski und vor allem aus der wert- 
vollen, von der Universität Wien zur 
Verfügung gestellten Bibliothek des Rechts- 
gelehrten Dr. Anton Menger zusammengesetzt. Sie 
stellt mit einem Bücherbestand von etwa 90.000 Bänden 
eine der größten sozialwirtschaftlichen 
S5pezialbücereien der Welt dar, die ausschließ- 
lich von den größten Instituten dieser Art in Moskau 
und in Berlin übertroffen werden dürfte. Die 
Bibliothek ist durch reichliche Dotationen instand ge- 
setzt, ihre Bestände auf den Gebieten der Sozialpolitik, 
Nationalökonomie, Geschichte der Gewerkschaften und der 
Arbeiterbewegung in deutscher, französischer, englischer 
and italienischer Sprache ständig zu ergänzen. 
Die Arbeiterkammern waren bestrebt, um ihre Wirk- 
samkeit der Gesamtheit der Arbeiterschaft auch auf dem 
Flachlande nahezubringen, Exposituren zu schaffen. Hierin 
ist die Grazer Arbeiterkammer mit der Errichtung einer 
Expositur in Leoben im Jahre 1926 vorausgegangen, die 
für die Sonderbedürfnisse des obersteirischen Montan- und 
Industriegebietes bestimmt war. Im Jahre 1927 hat die 
Wiener Kammer sechs Amtsstellen in Wiener-Neustadt, 
St. Pölten, Stockerau, Krems, Gmünd, Waidhofen a. d. Ybbs 
geschaffen. In anderen Kammersprengeln ist zu gleichem 
Zweck die Einrichtung von Amtstagen eingeführt. 
Mehrere Kammern sind in den letzten Jahren, einem 
Iringenden sachlichen Bedürfnis folgend, dazu über- 
zegangen, eigene repräsentative Gebäude zu errichten. Im 
Jahre 1924 wurde vom Bundespräsidenten Dr. Hainisch 
das Kärntner Arbeiterkammergebäude in Klagenfurt 
eröffnet, im Jahre 1027 das Gebäude der steirischen 
\rbeiterkammer in Graz, die übrigens auch für die 
„eobner Expositur ein eigenes Gebäude errichtet hat. 
Die oberösterreichische Arbeiterkammer steht im Begriff, 
zin umfangreiches Kammergebäude, gegenüber dem 
_inzer Bahnhof, zu errichten, die Wiener Kammer ist 
nn einem kürzlich von ihr erworbenen Gebäude, nächst 
lem Rathaus, untergebracht, das früher einen Teil des 
\ckerbauministeriums beherbergt hat. 
Die Initiative der Kammer äußert sich vor allem in 
der Herausgabe von Fachpublikationen der verschieden- 
;ten Art, die teils einmaliger, teils periodischer Natur 
ind. An Zeitschriften haben die Kammern gegründet 
»>der mitgegründet: im Jahre 1023 „Arbeit und Wirt- 
;chaft“, das gemeinsame Organ der Gewerkschaftskom- 
nission, der Arbeiterkammern und der Betriebsräte 
Jesterreichs, eine halbmonatliche, in sehr beträchtlicher 
Auflage erscheinende, sozial- und wirtschaftspolitische 
Zeitschrift; im Jahre 1024 die Zeitschrift „Lehrlingsschutz, 
‚ugend- und Berufsfürsorge“, das Organ der Lehrlings- 
;chutzstelle und des Wiener Berufungsamtes, die monat- 
lich erscheint; gemeinsam mit anderen Körperschaften 
die „Statistischen Nachrichten“ und die „Sammlung der 
arbeitsrechtlichen Entscheidungen“; ferner „Mitteilungen 
der sozialwissenschaftlichen Studienbibliothek der Arbeiter- 
<ammer“; eine sozialpolitische Gesetzesausgabe, in der 
ıus der Feder anerkannter, sozialpolitischer Fachmänner 
sommentierte Gesetzesausgaben der wichtigsten sozial- 
politischen Gesetze der Republik erschienen sind. 
Des größten Ansehens in Fachkreisen des In- und 
Auslandes erfreut sich das von der volkswirtschaftlichen 
\bteilung nunmehr zum vierten Male herausgegebene 
‚Wirtschaftsstatistishe Jahrbuch“ der Arbeiterkammer, 
las mangels zusammenfassender amtlicher Quellen einen 
ler wichtigsten Behelfe zur Orientierung über die Pro- 
luktions-, Handels-, Finanz-, Lohnverhältnisse der 
jsterreichishen Republik darstellt. Von anderen ge- 
egentlichen Publikationen sei erwähnt das Buch über 
‚Rationalisierung, Arbeitswissenschaft und Arbeiter- 
schaft“, über „Frauenarbeit“, ein „Handbuch des Lehr- 
ingsrechtes“ und viele andere. 
WOHLFAHRTSWESEN 
Von Ministerialrat Dr. Rudolf Krassnie. 
Die ‚aus dem Kriege übernommene Zwangsbewirt- 
schaftung aller unentbehrlichen Bedarfsgegenstände ein- 
schließlich Nahrungsmittel nahm auf die Hilfsbedürftigen, 
die schwangeren und stillenden Mütter, auf Kinder und 
Jugendliche sowie auf die Kranken und schwer ar- 
beitenden Menschen besonderen Bedacht, sie konnte 
jedoch angesichts der Unzulänglichkeit der eigenen 
Produktion, angesichts der Absperrung des Auslandes 
und angesichts des mit unheimlicher Geschwindigkeit 
sinkenden Geldwertes im Inlande das Elend nur zum 
kleinsten Teile ausgleichen. So sei daran erinnert, daß 
der Großteil der Bevölkerung sehr bald nicht mehr in 
der Lage war, auch nur die zwangsbewirtschafteten und 
sehr verbilligten Lebensmittelrationen zu beziehen. 
A. Jugendfürsorge. 
Das neue österreichische Staatsamt für soziale Ver- 
valtung regte für den Bereich der jungen Republik die 
"rrichtung von Landesjugendämtern an, welche in der 
"olge in allen Bundesländern, zuerst in Wien und 
Niederösterreich, als selbständige Amter oder Ab- 
eilungen der Landesregierungen geschaffen wurden. 
Diesen folgten bald auch lokale amtliche 
stellen wie Städtische und Bezirksjugendämter. Die 
finder, für die liebevolle und gewissenhafte, für den 
‚ebenskampf tüchtige Eltern oder Familienangehörige 
sorgten, waren in dieser Zeit in schwerer Not. Wie 
orst jene, die als Ziehkinder in fremden Familien oder 
ıls uneheliche Kinder bei ihren oft liebelosen Eltern
	        
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