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Wirtschaft und Steuerpolitik.
Von Dr. Sogemeier, Geschäftsführer des Zweckverbandes norddeutscher Wirtschafts-
vertretungen, Berlin,
„Sind die Staatsleistungen an sich nicht entbehrlich, kann auch an
den Kosten für sie nichts gespart werden, so beweist die Unmöglich-
keit, den Staatsbedarf aufzubringen, eben die Unmöglichkeit des
dauernden Bestandes eines solchen Staates. Selbst die Hilfe durch
Staatsbankrott, also durch Bruch der privatrechtlichen Verpflich-
tungen, wird hier nicht dauernd helfen. Die ‚Staatsproduktion‘ muß
in solchen Fällen am Ende wie die ‚Privatproduktion‘ eingehen, weil
‚das Unternehmen nicht mehr die Kosten deckt‘, Auch hier ist die
Geschichte die Richterin, die aber ihr endgültiges Urteil mitunter länger
verschiebt, als man erwartet (Türkei!).‘” (Adolf Wagner, Finanzwissen-
schaft, Seite 75.) Diese Darlegungen des großen deutschen Finanz-
wissenschaftlers, in den 90er Jahren niedergeschrieben, haben heute
leider für das Deutsche Reich und seine Glieder eine besonders ernste
Bedeutung. Da die Mittel für die Deckung des öffentlichen Bedarfs
im Deutschen Reich, von den einzelnen Ländern und ihren Gemeinden
und Gemeindeverbänden heute zum überwiegenden Teil durch laufende
Steuern aufgebracht werden müssen und diese Steuerlast, wie später
noch im einzelnen darzulegen ist, bei uns eine auf längere Dauer ganz
unmögliche Höhe erreicht hat, wenn man ihr die allgemeine Leistungs-
fähigkeit der Steuerträger gegenüberstellt, bedeuten die angeführten
Sätze Adolf Wagners für uns in der Gegenwart folgendes:
Kann das deutsche Volk, insbesondere die deutsche Volkswirt-
schaft, den öffentlichen Bedarf, wie er heute in den verschiedenen Etats
festgelegt ist, in dieser Höhe weiter aufbringen? Wenn nicht: Wieweit
sind die heutigen Leistungen der öffentlichen Körperschaften entbehr-
lich, und was kann an Kosten für sie gespart werden? Wenn alle diese
Fragen verneint werden müßten, würde das die Unmöglichkeit des
dauernden Bestandes unseres Staatslebens bedeuten. Die Fragestellung
meines Themas „Steuern und Wirtschaft‘ geht damit bei ihrer Anwen-
dung auf unsere gegenwärtigen deutschen Verhältnisse weit über den
Rahmen einer mehr wissenschaftlich-theoretischen Untersuchung hin-