beinahe gänzlich kapitalistisch organisiert ist, nämlich Eng-
land; aber diese Organisation ist das Produkt einer Agrarent-
wicklung, wie sie in einer längst verflossenen Epoche unter
Bedingungen, die von den gegenwärtigen, grundsätzlich ver-
schieden sind, stattgefunden hat. Aber auch in diesem Eng-
land gibt es immer noch etwa 14 Million landwirtschaftlicher
Betriebe, eine Wirtschaft von 100 ha gilt schon als recht be-
Tächtlich, und lassen sich keine Tendenzen zu einer weite-
ten Konzentration feststellen. Auf dem europäischen Fest-
land aber, insonderheit in Rußland, herrscht hingegen. der
Kleinbetrieb, der auf der Arbeit des Bauern und seiner Fa-
milie beruht, durchaus vor. Selbst in den Vereinigten Staaten,
diesem Lande des Riesenkapitalismus, der Trusts und der
Milliardäre, stellt der Kleinbetrieb, in. dem die Lohnarbeit
nur von untergeordneter Bedeutung ist, die vorherrschende
Form der landwirtschaftlichen Produktion dar. Freilich an
Flächenraum übertreffen die amerikanischen Farmen die
bäuerlichen Betriebe Europas, allein dies ist die Folge des
axtensiven Charakters der amerikanischen Landwirtschaft.
Die Nationalökonomen. streiten noch über den Grad der
Differenzierung des Bauerntums, über die Frage, ob inner-
halb des Bauerntums ein Prozeß der Nivellierung oder aber
einer weiteren Differenzierung stattfindet. Diese Kontro-
verse ist in der Tat recht bedeutungsvoll für die Lösung des
Problems, ob die soziale Revolution auch auf dem flachen
Lande Wurzel fassen kann. Die Kommunisten suchen nun, zu
beweisen, daß man Anhänger der sozialen Revolution nicht
nur unter den landwirtschaftlichen Arbeitern, die wenig
zahlreich und dabei noch zerstreut. sind, sondern. auch unter
den ärmsten Schichten des Bauerntums werben könne. Es
trifft auch zu, daß die bäuerlichen Massen in der russi-
schen sozialen Revolution die aktivste Rolle gespielt haben;
doch wir glauben, daß dies nicht das Resultat einer weit-
gehenden Differenzierung innerhalb des Bauerntums, son-
dern. vielmehr seiner althergebrachten Mirverfassung sei),
und wir sind der Ansicht, daß die Idee der sozialen Revolu-
tion in dem Dorfe bei bäuerlichen Eigentümern einen weit-
Aus weniger günstigen Boden besitzen wird.
Allein zunächst interessiert uns das Ergebnis der sozialen
1) Ausführliches darüber siehe in meinem Buche: Agrarentwicklung
und ‚Agrarrevolution in Rußland. Osteuropa-Institut in Breslau. Berlin
1926. (Anmerk. zur Übersetzung.)
30