Die Besonderheiten der Vergesellschaftungs-Werbungs-Seelenaugenblicke usw. 397
wegen“ ist z. B. meist niemandem „verboten“, aber es wäre‘ gewiß
lächerlich, zu sagen, daß man „atmen“ und „die Hand bewegen“ darf,
lächerlich, weil ganz unrichtig, da jemand nur dann „atmen“ und „die
Hand bewegen“ „darf“, wenn ein Anderer die Pflicht hat, ihm solches
Verhalten nicht ungünstig zuzurechnen, sonst aber das Wort „dürfen“
fehl am Orte ist. Daß man statt „verboten sein“ auch „nicht dürfen“
sagt, erklärt sich daraus, daß allerdings ganz selbstverständlich im Falle
des bindenden „Verboten-Seins“ auch kein „Dürfen“ besteht, ist
aber doch eine irreführende Rede, da das „Nicht-Verboten-Sein“ noch
kein „Dürfen“ darstellt. Hat A dem B besonderes Verhalten nicht ver-
boten, so ist jenes Verhalten des B noch nicht „gedurft“, d. h. A. ist
durch sein „Nicht- Verbieten“ noch keineswegs verpflichtet, dem B jenes
Verhalten nicht ungünstig zuzurechnen. Das „Dürfen“ ist also keines-
wegs der Gegensatz zum „Sollen“, ist als „Nicht-Verpflichtet-Sein“
keineswegs bestimmt, ist vielmehr ein besonderes „Verpflichtet-Sein“
anderer Seele als jenes, das „darf“. Die „juristische“ Rede: „Was nicht
verboten ist, ist erlaubt“ — gemeint ist offenbar: „Was nicht bindend
verboten ist, darf man“ — ist daher besten Falles nur die Bezeich-
aung einer „Interpretationsfiktion“, keinesfalls aber eine haltbare wissen-
schaftliche Aussage, schon deshalb nicht, weil sie das „Erlauben“, das
allerdings stets auch ein „Nicht-Verbieten“, d.h. ein anderes Verhalten
als „Verbieten“ ist, mit dem „Nicht-Verbieten“ als Mangel eines „Ver-
dietens“ verwechselt. „Verbieten“ und „Erlauben“ sind allerdings in-
soferne Gegensätze, als jener, der besonderes Verhalten verbietet,
behauptet, daß er es dem Anderen ungünstig zurechnen werde, während
jener, der besonderes Verhalten erlaubt, behauptet, daß er es dem
Anderem nicht ungünstig zurechnen werde: aber die Sonderung be-
sonderen Verbietens von besonderem Menschen ist keine Zugehörig-
keit besonderen Erlaubens zu diesem Menschen. Es ist aber auch die
Sonderung besonderen Erlaubens von besonderem Menschen keine
Zugehörigkeit besonderen Verbietens zu besonderem Menschen,
weshalb der Gebrauch des Wortes „unerlaubt“ („nicht erlaubt“) an
Stelle des Wortes „verboten“ ungenau ist. Kann doch jemandes be-
sonderes Verhalten auch weder „erlaubt“ noch „verboten“ sein,
woraus sich zur Genüge ergibt, daß das „nicht Erlaubte“ keineswegs
das Verbotene ist, wenn auch selbstverständlich das „ Verbotene“ nie-
mals ein „Erlaubtes“ ist, Es ist eben unrichtig, statt der gegensätz-
lichen Worte „Verboten — Unverboten“ und „Erlaubt — Unerlaubt“
die Worte „Verboten — Unerlaubt“ und „Unverboten — Erlaubt“ als
gegensätzliche Worte zu gebrauchen. Das „Dürfen“ wird aber nicht
nur mit dem „Nicht-Verboten-Sein“, sondern auch mit der „Befugnis“
verwechselt, welches Gegebene wir aber erst in späterem Zusammen-
hange erörtern können.