Das Wollen. .
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Seelenaugenblick „Wünschen“, da ohne Beziehung zu ihren Bedingungen,
also nicht als Wirkungsreihe gedachte „Veränderungsreihe“ — das
„Gewünschte“ — nicht durch in Beziehung zu ihren in der Welt ge-
gebenen grundlegenden Bedingungen, also als mögliche Wirkungsreihe
gedachte „Veränderungsreihe“ — das „Begehrte“ — besondert wird.
Eine und dieselbe besondere Veränderung eines und desselben
Einzelwesens kann entweder „gewünscht“ oder „begehrt“ sein, weil
sie eben als „Gewünschtes“ ohne Beziehung zu ihren grundlegenden
Bedingungen, hingegen als „Begehrtes“ in Beziehung zu ihren in der
Welt gegebenen grundlegenden Bedingungen gedacht ist. Weil wir
aber jede Veränderung beziehungsfrei wissen, hingegen nicht jede Ver-
änderung — z. B. nicht „freies Fliegen eines menschlichen Leibes“ —
in der Beziehung der Möglichkeit denken können, ist das Gebiet des
„Wünschbaren“ weit größer als das Gebiet des „Begehrbaren“. Sagt
doch das Dichterwort: „Die Sterne, die begehrt man nicht, man freut
sich ihrer Pracht“, mit welchen Worten das Begehrbare hinsichtlich
der Sterne eingeschränkt wird, da wir zwar Veränderungen der Sterne
denken können, durch welche sie in unsere Macht gelangen, Verände-
rungen, welche uns Lust bereiten würden, solche Veränderungen aber
nicht als „mögliche“ denken können, so daß eben solche Veränderungen
zum „Wünschbaren“, aber nicht zum „Begehrbaren“ zählen.
Liegt ein Seelenaugenblick „Begehren“ vor, so wird nicht nur der
Lustgewinn der eigenen Seele in unmittelbarer Möglichkeit hinsicht-
lich der begehrten Veränderungsreihe gedacht, sondern auch die Mög-
lichkeit der begehrten Veränderungsreihe selbst, d. h. es wird jenem
Einzelwesen, dessen Veränderungen begehrt sind, bzw. jedem jener
Einzelwesen, an welchen Veränderungen begehrt sind, die grundlegende
Bedingung dafür zuerkannt, daß es sich kraft besonderer wirkender Be-
lingung an anderem Einzelwesen in der begehrten Weise verändere.
Hingegen wird im „Begehren“ keinem Einzelwesen in der Welt die
wirkende Bedingung für die begehrte Veränderungsreihe zuerkannt,
denn auch das „Begehrte“ wird nicht als „zukünftig Wirkliches“ ge-
dacht, sondern bloß als ein unmittelbar und mittelbar bis zu den letzten
grundlegenden Bedingungen gegenwärtig Mögliches, Ist nun, wie wir
kurz sagen können, „Wünschen“ ein Seelenaugenblick, dem Unlust und
der Gedanke an eine besondere ‚Veränderungsreihe zugehört, hin-
gegen „Begehren“ ein Seelenaugenblick, dem Unlust und der (xedanke
an eine besondere gegenwärtig mögliche Veränderungsreihe
zugehört, so gelten unter Berücksichtigung jenes Unterschiedes alle Dar-
legungen hinsichtlich des „Wünschens“ auch hinsichtlich des Begehrens.
Vom „Begehren“ unterscheiden wir aber das „Verlangen“, einen be-
sonderen Seelenaugenblick, dem Unlust zugehört und der Gedanke an
sine künftig mögliche Veränderungsreihe, in welcher die eigene