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„Philosophie“ vor allem den Menschen „nützen“ — „procurer...
le bien general de tous les hommes‘ — und hofft das mit Hilfe seiner
neuen Methode zu können, weil sie die. Menschen befähige, der Natur-
gewalten Herr zu werden und diese sich dienstbar zu machen. „Il
est possible‘, meint er?, mittels seiner Denkweise, „de parvenir ä des
connaissances fort utiles ä la vie et qu'au lieu de cette philosophie
speculative, qu’on enseigne dans les 6coles, on en peut trouver une
pratique, par laquelle connaissant la force et les actions du feu, de
Veau,. de Vl’air, des astres, des cieux et de tous les autres corps que
nous environnent, aussi distinctement, que nous connaissons les
divers metiers de nos artisans, nous les pourrions employer en meme
facon ä tous les usages aux quels ils sont propres et ainsi mous
rendre comme maitres et possesseurs de la nature.“
Das Interesse, das der Wissenschaftler an der Welt nimmt, er-
wächst nicht, wie beim Philosophen, aus der Liebe zur Welt, sondern
gestattet der Welt gegenüber eine gewisse Distanz. Dem wissenschaft-
lichen Gelehrten eignet eine gewisse Kühle gegenüber dem Ge-
schehen der Welt. Nietzsche spricht von dem „kalten Dämon der
Erkenntnis‘, von einer „Personalindifferenz des wissenschaftlichen
Menschen‘ und hat gewiß recht, wenn er sagt: „Die Methodik, die
Forschung ist erst erreicht, wenn alle moralischen Vorurteile über-
wunden sind: sie stellt einen Sieg über die Moral dar.‘““ Deshalb liegt
dem wissenschaftlichen Menschen als solchem nichts ferner als Wert-
urteile zu. fällen. Non ridere, non lugere, sed intellegere ist der Leit-
spruch des Forschers. Kühl steht der Forscher seinem Stoff gegen-
über, so heiß durchglüht sein Forschen selber sein mag, kühl und
kritisch. „Kritizismus‘“ ist echter wissenschafilicher Geist, so tod-
Feind er aller Philosophie ist. Wie diese aus Liebe, Glauben und Ehr-
furcht aufgebaut ist, so die Wissenschaft aus Kühle, Kritik und Miß-
trauen. Mißtrauen ist die oberste Tugend im Reiche der Wissenschaft
‘wie in aller Demokratie).
Die Verweltlichung des Wissens, wie sie in der Wissenschaft er-
folgt, äußert sich aber endlich noch in der Abgrenzung des Gegen-
mE
? R. Descartes, Discours de In methode. VIe partie. Edition 5. Gilson.
(9256. pag. 67/62.