Internationale Arbeitspolitik
bereits Stellung genommen. In einer Zeit allgemeinen Ärmerwer-
dens und außerordentlicher Belastung der Erzeugungskosten er-
scheint eine Maßnahme, die bei dem Fehlen von Ausgleichsmitteln,
zu einer Verringerung der Arbeitsleistung, also einer Erhöhung der
Produktionskosten, führen muß, mon vornherein nicht empfehlens-
wert. Der „internationale“ Charakter der Aktion ändert hieran nichts.
Nicht jede „internationale“ Aktion verbürgt weltwirtschaftlichen Vor-
teil. Dieser tritt vielmehr nur dort ein, wo sich internationale Rege-
lungen auf einer wirklichen Gleichartigkeit und Gemeinschaftlich-
keit der Bedürfnisse aufbauen. Dies ist bei der Arbeit nicht der Fall.
Sie ist je nach der wirtschaftlichen Eigenart der Länder differenziert
je nach dem Lebenshabitus, dem Wohlstand, der natürlichen Veran-
langung der Arbeiter verschieden geartet. Eine Internationalisierung
bedeutet hier nicht eine Kodifizierung bereits bestehender Gleich-
heiten, sondern ein Gleichmachenwollen trotz entgegenstehender
wirtschaftlicher Differenzierungen. Es bedeutet nichts anderes, wenn
Arbeiterschaften unter völlig verschiedenen Arbeitsverhältnissen eine
internationale Festlegung der Arbeitsbedingungen auf Grundlage der
bestgestellten Arbeiter in der Welt verlangen wie etwa, wenn die
Landwirte einen Zollschutz verlangen, um die Ungleichheiten der
Erzeugungskosten zugunsten der teurer Produzierenden auszuglei-
hen. In England hat unlängst ein Ausschuß der parlamentarischen
Arbeiterpartei einen Bericht über das „sweating“-System verfaßt und
ist dabei zu dem erstaunlichen Schluß gekommen, daß man die De-
finition dieses Wortes auf „alle Waren anwenden müsse, die nicht
unter den Arbeitsbedingungen der Arbeitszeitkonvention von
Washington hergestellt seien“, Der Bericht verlangt zur Durchfüh-
ung dieser Konvention die Anwendung des Boykotts gegen „Sswea-
ted“-Waren. Mit anderen Worten, die englische Arbeiterschaft ver-
sucht unter Zuhilfenahme von Zwangsmitteln interstaatlicher Art
den Standard der ihr vorschwebenden und für England bereits be-
stehenden Arbeitsbedingungen auf Länder auszudehnen, die auf
Grund anderer, die Erzeugungskosten der Industrie minder belasten-
den Arbeitsbedingungen der englischen Industrie Konkurrenz ma-
chen können. Es handelt sich um kein anderes Prinzip als das der
nationalen Schutzzölle und seine Anwendung durch Agrarinteressen-
ten oder Industrieunternehmer, Nur, daß hier zum Schutze der hei-
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