Full text: Die Haftpflicht der Eisenbahn-, Bergbau- und Fabrik-Unternehmer

aus welchen die übrigen Bezüge der Knappschaftsgenossen und 
ihrer Angehörigen fließen. 
e. Von den Haftpflichtleistungen werden am Schlüße des 
JahreS die statutenmäßigen gewöhnlichen Zahlungen abgesetzt 
und der Ueberschnß als Zuschlag zu den Werks beitrügen 
nachträglich eingezogen. 
d. Capitalzahlnngen für Haftpflichtleistungen werden 
von der Knappschaftökasse aus ihrem Vermögensdcftande vor 
geschossen, gegen den Zinsfuß, welchen ihre Effecten haben, 
die sie zu der Zahlung verwendet hat. Am Jahreöschluße ist 
das Capital nebst Zinsen als Zuschlag zu den Werksbeiträgen 
wieder einzuziehen, oder auch die Einziehung auf mehrere Jahre 
zu vertheilen. 
e. Haftpflichtlcistttngen an Personen, welche nicht zum 
Knappschaftövereine gehören, werden von der Kasse zwar über 
nommen, jedoch als Darlehne behandelt und von dem be 
treffenden Haftpflichtigen allein als Zuschlag zu seinen sonstigen 
Beiträgen wieder eingezogen, und zwar mit einer festzusetzen 
den Vergütung (Provision). — 
Diese Einrichtungen halten wir noch nicht einmal für 
Statuten-Aenderungen, vielmehr nur für Maßregeln der Ver 
waltung und Vermögensverwendung, welche, ohne Genehmi 
gung einer General-Versammlung, vom Knappschaftö-Vor 
stande in außerordentlicher Sitzung beschlossen werden können. 
Eine andere Behandlung der Angelegenheit sowie die 
Ausdehnung der Knappschaftsvereins-Verwaltung auf Haft 
pflichtfälle, deren Berechtigte oder Verpflichtete nicht zum Ver 
eine gehören, wird sich um so weniger empfehlen, je zweifel 
hafter dadurch die gesetzliche und statutenmäßige Competen; 
der Vereine und ihrer Venvalknngsorgane wird. 
Der über jeden Zweifel hinaus entschiedenen Haft 
pflichtfälle wird es, so relativ häufig auch bei der Montau- 
Industrie, insbesondere beim Bergbau, Körperverletzungen und 
Tödtungen sein mögen, immer nur wenige geben, da „eine 
Verschuldung in Ausführung von Dienstvorschriften" nur selten 
begründet und noch seltener zu beweisen sein wird. 
Daß die Knappschaftöleistungen übrigens nach § 4 auf 
den Haftpflichtersatz einzurechnen sind, darüber läßt schon die 
amtliche Statistik der Knappschaftövereine keinen Zweifel. — 
Nehmen wir selbst die Statistik, wie sie für ] 869 in Preußen 
vorliegt und die seitdem eingetretene Erhöhung der Beiträge 
der Werksbesitzer, d. h. der möglicherweise Haftpflichtigen, noch 
nicht beziffert, so stellen sich folgende Zahlenverhältnisse heraus: 
Im Jahre I860 betrugen die Gcsammteinnahmen der 
Knappschaftsvereine Preußens (ausschließlich Oberbergamtsbez. 
Clausthal) 2,1)2,671 Thlr., darunter Beiträge der Mitglie 
der 964,965 Thlr. , der Werks-Eigenthümer 744,440 Thlr. 
Nach § 4 sollen die Knappschaftskassen - Leistungen auf Haft 
pflicht-Verbindlichkeiten eingerechnet werden, wenn die Mit 
leistung des Betriebs-Unternehmers nicht unter einem Drittel 
der Gesammtleistung beträgt. Ein Drittel der Gesammt-Ein- 
nahme der Knappschaftskaffen betrug 1869 — 704,224 Tbl., 
die Werkseigenthümer trugen aber 744,440 Thlr. bei, also 
40,000 Thlr. über das gesetzliche Drittel hinaus. Die Ein 
rechnung der Knappschaftsleistungen ist hiernach gesetzlich be 
gründet und von Recht und Billigkeit um so mehr geboten, 
je weiter die Werköbeiträge die Quote überschreiten, welche als 
Minimum den Werköbesitzern durch § 173 des Allg. Berg 
gesetzes, nämlich mindestens die Hälfte der Arbeiterbeiträge, 
festgesetzt ist. Die Hälfte der Arbeiterbeiträge — 964,965 
Thaler erreicht nur 482.483 Thlr.; die Werksbesitzer tragen 
aber 744,440 Thlr., also 261,900 Thlr. mehr bei, als das 
Berggesetz verlangt. Diese Mehrleistung nach deni Zinsfüße 
von 5 Procent capitalisirt, repräsentirt ein Capital von 
5,238,000 Thaler. Es soll erst nachgewiesen werden, daß 
sämmtliche Haftpflichtleistnngen, selbst durch richterliches Er 
kenntniß hoch arbitrirt, ein Capital von 5,238,000 Thlr. er 
reichen würden in Preußen! — Selbst die Rentenzubilligung an 
alle Haftpftichtberechtigte würde 261,900 Thlr. schwerlich for 
dern. Im Jahre 1869 hat die amtliche Statistik*) berechnet, 
daß, nach Analogie der sehr hohen Schadloöhaltnng der bei 
der großen Verunglückung im Plauenschen Grunde bei Dres 
den betheiligten Arbeiter und ihrer Angehörigen, für sämmt 
liche tödtlich und nicht tödtlich Verunglückte aller Gewerbe in 
Preußen ein Versicherungscapital von 5,766,800 Thlr. zur 
Deckung ihrer Ansprüche überhaupt erforderlich sein würde, 
und zwar nach dem Satze von 1600 Thlr. für eine Tödtung 
und von 800 Thaler für eine nicht tödtliche Verletzung, — 
gewiß eine sehr hohe Veranschlagung. Aber die Werksbesitzer 
Preußens allein zahlen ja, wie wir oben sahen, schon 261,900 
Thlr. Knappschaftsbeiträge mehr, als sie gesetzlich müßten, 
versichern also allein selbst nach dem Prämiensatze von 5 Proc. 
ein Capital von 5,238,000 Thlr., d. i. nur 528,800 Thaler 
weniger, als sämmtliche Verunglückungen aller Gewerbe 
erfordern! — 
Hier tritt ganz klar hervor, daß das Haftpflichtgcsetz für 
die durch die Knappschaftövereine vertretenen Betriebs-Unter 
nehmer mindestens — überflüssig, daß das Geschrei der 
human-socialistischen Agitatoren von dem Bedürfniß jenes 
Gesetzes für den Bergbau völlig grundlos war. 
Mit vollem Rechte gebührt hiernach den Knappschafts 
Vereinen, schon nach ihren jetzigen Leistungen, die Erledigung 
der Haftpflicht der in ihnen vertretenen Betriebs-Unternehmer, 
zumal es ihnen auch nicht an den nöthigen Garantiefonds 
fehlt. Die oben schon bezifferten Vereine Preußens besaßen 
Ende 1869 ein schuldenfreies Vermögen von 3,877,508 Thlr., 
darunter an zinsbar angelegten Capitalien 2,828,971 Thaler. 
Will man noch größere Sicherheiten und Reserven fordern? 
Bei dieser Sachlage können wir auch der Agitation für 
neue Unfall-Versicherungs-Anstalten neben den Knappschafts- 
Kassen nicht zustimmen. Die „alten Schläuche" der Knapp 
schaftsvereine haben gar nicht nöthig, den „neuen" Wein der 
Haftpflicht-Ansprüche zu fassen: — diese sind für sie schon 
„alter" Wein und ebenso wirthschaftlich als sicher in diese 
„alten Schläuchen" bereits lange Zeit gefaßt.**) — 
4. Die Großindustrie, wie sie das Gesetz in § 2 unter 
dem Ausdruck „Fabriken" bezeichnet, besitzt den Knapp- 
schaftskassen ähnliche Institute in den „gewerblichen Unter 
sili tznngskassen", und außerdem in besondern für größere 
Hütten- und Fabriken-Anlagen oder Complexe bestehenden 
besondern Kranken- und sonstigen Anstalten der Selbsthilfe 
und Vorsorge. Die oben unter Zusatz 1 zu diesem § mitge 
theilten Resolutionen bezwecken die Reorganisation der vor 
stehend bezeichneten Institute und wohl auch die Verallgemei 
nerung derselben als Versicherungsanstalten zur Uebernahme 
der Haftpflicht-Verbindlichkeiten. 
Wir halten jedoch die Aussonderung der letzter« von den 
*) Vergi. Drucks. Nr. 46. — Die beste Autorität der hier einschla 
genden Fachwissenschaft, Hr. Dr. Engel. Director des König!. Preuß. 
Statist. Bureaus zu Berlin, vertritt hier die Verunglückungs-Statistik 
der in Betracht kommenden Gewerbe überhaupt und am Schluß die oben 
angeführte Bezifferung des Verstcherungs-Capitals für tödtlich und nicht 
tödtlich Verunglückte und ihrer Angehörigen. 
**) Wie sich selbst gewiegte Fachmänner des Versicherungswesens, wie 
Herr Dr. Gallus, technischer Director der Norddeutschen Lebensversiche 
rungsbank, über die Knappschaftsvereine und ihre Berechtigung bezüglich 
der Haftpflicht täuschen konnten, ist uns nicht erklärlich. Vergl.: „Das 
Gesetz der Haftpflicht und die Assekuranz. Von Dr. W. Gallus iç," 
(Berlin. Haube- und Epen. Buchh.) S. 13. 14.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.