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Mäßigen Schienenlage*) beschädigt bei der Uebcrfahrt über den
Bahnkörper.
4. Die Haftpflicht der Eisenbahnen nach § 1 tritt nur
bei Verletzung rc. von Menschen ein, gleichviel in welchem
Verhältnisse die beschädigten Menschen zu dem Bahnbetriebe
stehen, gleichviel also, ob sie Bahn-Beamte over Bahn-Arbeiter
oder Bahn-Passagiere oder alles dies nicht sind. Die einfache
Thatsache der Tödtung oder körperlichen Verletzung eines Men
schen begründet schon die Haftpflicht und diese kann nur durch
den in § 1 geforderten Gegenbeweis der Nichtverschuldung ab
gewiesen werden. Bei diesem Gegenbeweise wird wiederum
die Anrufung der mehrerwähnten Reglements die wichtigste
Rolle spielen, je nachdem sie verletzt oder beobachtet sind. Eine
durch reglementswidrige Beschaffenheit der Dämme rc. herbei
geführte Ueberschwemmung z. B. würde nicht als „höhere Ge
walt" angesehen werden, wogegen diese bei dem Nachweise der
Reglementsmäßigkeit der Dämme rc. unter den Begriff der
vis major fallen würde.
5. Die Begriffe der „Tödtung" und „körperlichen
Verletzung" stellen sich fest nach Analogie der vom Straf
rechte**) adoptirten Begriffe dieser Ausdrücke. Ob die Tödtung
oder körperliche Verletzung die unmittelbare oder mittelbare, die
sofortige oder spätere Folge des Bahnbetriebes ist, kommt nicht
in Betracht; es genügt die Behauptung des ursächlichen Zu
sammenhangs mit dem Bahnbetriebe, um den Betriebs-Unter
nehmer in den Rechtsstand der Haftpflicht nach § 1 zu ver
setzen. Tritt die Tödtung oder Körperverletzung nicht unmittelbar
ein, so bleibt der Beweis des ursächlichen Zusammenhangs mit
dem Bahnbetriebe dem Beschädigten zur Last.
6. Als Haftpflichtiger wird in § 1 der „Betriebs-
Unternehmer" bezeichnet, d. h. diejenige Person, welche den
gewerblichen Betrieb der Bahn factisch besorgt. Bei der Ver
pachtung oder sonstigen Uebertragung einer Bahn haftet also
der Pächter oder Derjenige, welcher den Bahnbetrieb an Stelle
oder für Rechnung des Eigenthümers übernommen und nach
den gesetzlichen Reglements u. s. w. zu vertreten hat, gleichviel,
ob dies eine juristische Person, der Fiscus, eine Corporation
oder Gesellschaft ist.
Die Haftpflicht des Unternehmers schließt natürlich das
Recht des Haftpflichtigen oder Beschädigten, den nach dem
Civil- oder Strafrechte zulässigen Regreß noch an andere Per
sonen zu verfolgen, nicht aus (§ 9). An erster Stelle haftet
jedoch nur der Betriebs-Unternehmer, und zwar nur
7. „für den entstandenen Schaden, und auch nur
für den „dadurch", d. i. durch die Tödtung oder Körper
verletzung entstandenen Schaden, endlich nur für den u. s. w.
Schaden, wie er in §§ 3 und 4 d. Ges. näher bestimmt wird.
Daß der „entgangene Gewinn" nicht unter die Haft
pflicht fällt, ist schon durch das Erk. des Ober-Trib. vom 21.
April 1854 (s. o.) entschieden.
8. Von der Haftpflicht befreit den Betriebs-Unternehmer
der Beweis, daß „der Unfall durch höhere Gewalt
*) Eine Schienenlage gehört zum Betriebs-Material. Veranlaßte
sie durch reglementswidrige Beschaffenheit die Beschädigung eines Menschen,
so würde hierdurch die Eisenbahn haftpflichtig. Dagegen würde sie dies
nicht z. B. in dem Falle, daß ein Mensch durch Stoß rc. an einer regle
mentsmäßigen Schienenlage sich verletzt, da der Uebergang des Menschen
über die Schienen ohne Anstoß geschehen muß; die Berührung der Schienen
ist reglementswidrig und macht die Eisenbahn nur haftpflichtig, wenn die
Schienenlage fehlerhaft ist.
**) Es kommen hier namentlich §§ 223 224 226 des Deutschen
Strafgesetzbuchs und deren Auslegung und Feststellung hinsichtlich des ob
jectiven Thatbestandes in Rücksicht. Das auch Geisteskrankheiten
unter den Begriff der Körperverletzung fallen, ist aus 8,224 zu deduciren.
Werden also solche durch Eisenbahn-Unfälle verursacht, so machen sie den
Betriebs - Unternehmer haftpflichtig.
oder durch eigenes Verschulden des Getödteten oder
Verletzten verursacht ist".
a. Der Beweis ist formell näher bestimmt durch § 6 (s. u.)
b. Was unter: „höhere Gewalt" zu verstehen sei, hat
das Gesetz nicht weiter definirt, und nach den legislatorischen
Quellen auch nur näher insofern erklärt, als dieser Ausdruck
im Allgemeinen mit dem der Rechtswissenschaft geläufigen Be
griffe der vis major oder force majeure zusammenfallen solle.
Was man seitens der Autoren des Entwurfs darunter
verstanden hat, ist übrigens an erster Stelle maßgebend und
enthalten in einer Aeußerung des Bundesraths-Bevollmächtigten,
welche die Entstehungsgeschichte des Ausdrucks giebt. Danach
ist der Ausdruck als eine Modification des betreffenden Passus
in § 25 des preuß. Eisenbahngesetzes vom 3. Novbr. 1838
anzusehen, wo anstatt „durch höhere Gewalt" gefügt ist:
„Durch einen unabwendbaren äußeren Zufall". Diese Fassung
war dem Allg. Landrecht entnommen.*) In der That wird
*) Die bezügliche Aeußerung des BundeSraths-Commissars findet
sich „Stenogr. Ber." S. 451 f., also lautend:
„Es ist die Fassung des preußischen Gesetzes im Staatsrath entstan
den, und zwar unter hauptsächlicher Verweisung auf den § 1734, 8, II,
Allgemeines Landrecht und der lautet: „den ausgemittelten Schaden muß
„der Schiffer ersetzen, wenn er nicht nachweisen kann, daß selbiger durch
„inneren Verderb der Waaren oder durch einen äußeren Zufall ent-
„standen ist, dessen Abwendung er nicht in seiner Gewalt hatte",
— und wenn man gegenüber diesem Muster nicht den letzten Ausdruck
„Gewalt" gewählt, sondern den ersten „äußerer Zufall" genommen hat,
so liegt das einfach darin, daß der „äußere Zufall" noch an verschiedenen
anderen Stellen des Landrechts vorkommt. Was aber die Praxis betrifft,
so werde ich mir erlauben, aus einem Erkenntniß des Obertribunals aus
dem Jahre 1863 eine Stelle vorzuführen, und zwar nur die Stelle, die
hier speciell interessirt. Es heißt dort: „Als ein unabwendbarer
„äußerer Zufall, worunter die Entstehung des Sckadcnö durch ein
„Ereigniß höherer Gewalt verstanden werden muß". — Meine
Herren, ein sehr verdienstvoller Schriftsteller auf diesem Gebiete, Herr
Lehmann, hat die Frage auf das Allergenaucste erwogen und hat in dem
schließlichen Résumé auf Seite 34 seiner Schrift, die wohl Viele von Ihnen
in Händen haben werden, gesagt: „Der Richter wird den rechten Weg
„gehen, wenn er den Begriff „vis major“ (also die höhere Gewalt) eng
„auffaßt und von der Bahn den Nachweis „eines von außen kom-
„m e nd en seiner Natur nach oder nach Lage der Sache unabwend-
„baren Ereignisses verlangt". — Ich glaube, ich stehe mit meiner
Meinung, daß die Sache dieselbe ist, nicht allein. Nun könnten Sie
freilich sagen: wenn dem so ist, warum wünschen die Bundesregierungen,
daß der Ausdruck, den sic vorgeschlagen haben, amendirt wird? Meine
Herren, das hat einen sehr einfachen Grund, und zwar einen Grund, der
eigentlich aus der Stellung als eines Faktors der Gesetzgebung des deutschen
Reichs herzuleiten ist. Es giebt ein deussches Reichsgesetz — das Handels-
Gesetzbuch, und das braucht für ganz analoge Fälle denselben Ausdruck:
„höhere Gewalt". Es konnten die verbündeten Regierungen es nicht für
geeignet halten, für die Reichsgesetzgebung von deren eigenem
Sprachgebrauche auf die Ausdrucksweise eines Landesrechts
zurückzugehen. Allerdings habe ich von einem anderen, aus diesem Ge
biete sehr thätigen juristischen Schriftsteller, von Koch, den Satz gelesen:
die Kommission, welche das Handels-Gesetzbuch ausgearbeitet habe, habe
einen wahren Erisapfel mit dem Begriffe der „höheren Gewalt" unter
die Juristen geworfen. — In der That — ich gebe das zu — ist ein
großer Streit in der Theorie entstanden, und die Herrenhaben sich ab
gemüht, die „höhere Gewalt" zu definiren; zahlreiche Definitionen wäre
ich im Stande Ihnen vorzutragen, ich möchte aber von keiner behaupten,
daß sie alles erschöpft. Es ist das eben einer der Begriffe, die ihren
wahren Inhalt nur empfangen können im einzelnen Falle; sie lassen sich
nicht abstrakt definiren. Daher ist es gekommen, daß obschon der EriS-
apfel in der Theorie vorhanden ist, in der Praxis die Sache sich doch ge
macht hat. Und sollte nun gar § 10 des Amendements angenommen
werden, wonach das Bundes-Obcrhandelsgericht in letzter Instanz zu
ständig sein würde, nun, meine Herren, dann können sie sich bei diesem
Ausdruck „höhere Gewalt" um so mehr beruhigen, als dieser Begriff bei
diesem Gesetze alsdann ebenso ausgelegt werden würde, wie über ihn bei
jenem anderen Paragraphen des Handels-Gesetzbuchs von demselben hohen
Gerichtshöfe erkannt werden muß und erkannt werden wird". —
In dem deut chen Handelsgesetzbuche ist der Ausdruck: „höhere Ge
walt (vis major)" in Artt. 395, 607, 674 ebenfalls ohne jede nähere
Erklärung gebraucht —