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wegen der damit verbundenen schweren Bedingungen; sie ziehen es
vielmehr vor, mit eigener Arbeit den Gutsherrn für die ihnen zu
gewiesenen Vergünstigungen zu bezahlen. Und umgekehrt belohnt der
Gutsherr die Bauern für ihre auf seiner Wirtschaft verrichtete Arbeit
mit dem Weiderechte. 5 ) So erklärt es sich, dass die Ueberbleibsel der
alten Frondienste in anderer Form fortbestehen.
Nachdem wir die historische Grundlage für das Bestehen ver
schiedener Formen des Naturallohnes dargelegt haben, wollen wir jetzt
zur Betrachtung der Arten des Naturallohnes selber, ihrer Vorteile und
Nachteile übergehen.
Der Naturallohn kann in zwei Grundarten zerlegt werden:
1. Entlohnung mit Fleu oder Getreide,
2. in die Entlohnung mit Nutzniessung von Weideland.
Wenden wir uns zunächst zur ersten Form des Naturallohnes.
Für seine Arbeit erhält der Arbeiter einen im voraus bestimmten
Teil des Rohertrages, ln den neurussischen Gouvernements wird solcher
Lohn für die Getreideerntearbeiter, am meisten aber für die Heuernte
i bezahlt. Dies erklärt sich durch den Mangel an Heuschlägen bei den
einheimischen Kleinbauern.
Die Arbeit, die der Arbeiter zu verrichten hat, besteht gewöhnlich
im Mähen, seltener im Einbringen von Heu. Die «Materialien zum Boden
kataster» bringen bestimmtere und reichlichere Angaben über Entlohnung
mit einem Teil des Rohertrages. Diese betreffen aber nur die achtziger
und den Anfang der neunziger Jahre. Für die spätere Zeit haben w r ir
in Bezug auf die Entlohnung mit einem Teil des Rohertrages für die
Getreideerntearbeiten fast gar keine Angaben gefunden, was sich da-
') Als krasses Beispiel für eine solche Nötigung der Bauern, die ihnen zugewiesene
Vergünstigung mit Arbeit zu bezahlen, diene folgender Fall: ln einem Dorfe des Kreises
Eüsabethgrad (Qouv. Cherson) ist das Bauernland von einer Seite von dem Fluss mit
steilen Ufern, von allen übrigen Seiten aber vom gutsherrlichn Lande umringt. Der Dorf
weg führt über das Weideland des Gutsherrn, der den Bauern das Vieh auf diesem Wege
zu treiben verboten hat, wegen der Gefahr des Abweidenlassens. Den Bauern steht also
frei, entweder sich mit dem Gutsherrn jedesmal zu streiten, oder das Vieh auf dem
Lande des Gutsherrn weiden zu lassen. Sie ziehen naturgemäss das Letzte vor. Durch
den Mangel an Geld werden sie gezwungen, für das ihnen zugewiesene Weiderecht
verschiedene Arbeiten auf der Gutswirtschaft zu leisten. Der Gutsherr aber nützt die
bedrängte Lage der Bauern aus und fordert unverhältnismässig grosse Arbeitsleistungen.
So z. B. beträgt bei anderen Gutsherren der Entgelt für Hutweide bei einem 5 Rubel,
bei dem anderen das Einbringen des Getreides von Ufo Dess. Dieser Gutsherr fordert
aber das Einbringen des Getreides von 2 Dess. und einen Tag lang Heu auf Haufen zu
setzen. (Siehe die Materialien des Bodenkatasters im Gouv. Cherson, Kr. Elisabethgrad, B.V.)
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