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Löhne in der gewerblichen Kinderarbeit.
welche Kinder verdient haben, unendlich viele elterliche Sorge er
leichtert worden?" Ich weiß nicht, durch welches Multiplikations
exempel die Berechnung zustande gekommen ist. Einwandfrei ist sie
nicht, denn die angenommenen durchschnittlichen Löhne geben ein
total falsches Bild, und auch in der Kinderarbeit gehen bei starkem
Angebot (zum Winter!) die Löhne zurück. Für Hannover aber ließ
sich durch sehr beachtenswertes Material feststellen, daß 86418 Mk.
von 1620 schulpflichtigen Kindern jährlich verdient waren. Diese
Summe kann aber nur dem Kurzsichtigen als eine hohe erscheinen.
Der Gegenbeweis ist durch Abschnitt I und II erbracht. Und wir
fügen hier noch besonders hinzu, daß in Großstädten hochgelohnte
Kinder meist kein Handwerk erlernen wollten, sondern „ungelernte
Arbeiter" wurden, die bekanntlich in der Kriminalstatistik eine
große Rolle spielen. Da zahlt der Staat die Kosten. Und er
zahlt die Kosten auch sonst; denn wer kann zahlenmäßig feststellen,
wieviele sittliche Werte verloren gegangen sind, wieviel Volkskraft
verschwendet wurde?
„Es liegt ein unschätzbarer Segen darin, wenn Kinder von
Jugend auf daran gewöhnt werden, an ihrem Teil zu der Wohl
fahrt des Elternhauses mit beizutragen. Auf gesunder Grundlage
sich haltend, wird das fleißige Zusammenarbeiten von Eltern und
Kindern die Bande des Familienlebens festigen und das Gefühl der Zu
sammengehörigkeit kräftigen." So der Jahresbericht der Ostfriesischen
Handelskammer 1902. I. S. Die gesunde Grundlage soll
das Kinderschutzgesetz schaffen helfen; sie ist noch nicht vor
handen. Die Kinderarbeit, in maßloser Weise gestattet, hat zu
einem nicht geringen Teil derhansindnstriellenBevölkerung
zu jenen Löhnen verholfen, welche sie zwangen, um jeden Preis
zu arbeiten. Das soll anders werden; sonst tritt nicht eine Festigung,
sondern fortschreitendeLockerung derFamilienbande
ein. Die Kinderarbeit in den Großstädten, vornehmlich das Aus
träger- und Laufburschcntum, ist eine Hauptqnelle der Verwahrlosung
der Jugendlichen, die die Kosten der Armenvcrwaltungen verviel
facht, während der wirtschaftliche Vorteil dieser Kinderarbeit nur
ein scheinbarer ist. (Vgl. bezügl. Armenverwaltungen auch