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nachten eine Arbeitszeit bis zu 10 Stunden zu. Es hat sich
herausgestellt, daß dies überflüssig ist, daß ein Bedürfnis hierfür
keineswegs vorliegt. Und so ist in vielen Städten nur an den
beiden letzten oder gar nur am allerletzten Sonntag vor Weih
nachten die volle Ausnutzung gestattet. Überall hat sich diese
Einschränkung bewährt, obwohl man vor 13 Jahren noch nicht
an die Möglichkeit glaubte, eine solche Verkürzung durchsetzen zu
können.
Der „Konfektionär", gewiß ein Blatt, das die Interessen der
Prinzipale mit besonderem Nachdruck vertritt, erklärte mit Bezug
auf die Erörterungen über erweiterte Sonntagsruhe im Berliner
Magistrat (Nr. vom 3. September 1903): „Das kaufende Publi
kum macht schon jetzt seine Einkäufe nur in seltenen Fällen am
Sonntag und wird sich an den völligen Sonntagsschluß auch ge
wöhnen. ... Die Engrosgeschäfte sollten überhaupt nicht, wenn
nicht Hochsaison ist oder nicht besondere Umstände vorliegen, am
Sonntag öffnen." Am 14. Mai 1903 hatte dasselbe Blatt bereits
geschrieben: „Es ist zu hoffen, daß die Anregung der Gewerbe
deputation auf fruchtbaren Boden fällt und die Einführung der
Sonntagsruhe auch wirklich Tatsache wird. Man kann wohl
sagen, daß die Sonntagsarbeit in mindestens neun Zehnteln aller
in Betracht kommenden Geschäfte völlig entbehrlich ist und in dem
anderen Zehntel zum allergrößten Teil entbehrlich. Gearbeitet
wird an den Sonntagen in der Mehrzahl der Geschäfte doch nicht."
Ebenso schrieb der „Manufakturist", ein Prinzipalsblatt, 1900:
„Die Inhaber von Ladengeschäften aller Geschäftszweige in Cleve
hatten zur Besprechung über zweckentsprechende Verlegung der vom
Gesetz freigegebenen Sonntage eine Versammlung anberaumt.
Einstimmig war das Urteil, daß das anfänglich so mißtrauisch
aufgenommene Gesetz über die Sonntagsruhe höchst segensreich
gewirkt habe. Von verschiedenen Seiten wurde auch der Wunsch
nach einer strengeren Handhabung der Sonntagsruhe laut."
Bezeichnend ist folgender Vorgang: Die Gewerbedeputation
des Berliner Magistrats bat die Handelskammer und die Ältesten
der Kaufmannschaft um ein Gutachten über die Sonntagsruhe.