Die Wohnungsfrage.
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faßt? Almosen wollen unsere Arbeiter, welche aus dumpfem
Knechtesschlafe erwacht sind und an den Segnungen der
industriellen Epoche Teil zu nehmen wünschen, nicht; sie
wollen nur Gerechtigkeit. Niemand brauchte zu darben im
Angesichte des Überflusses; aber Grundrente, Zins und
Unternehmerprofit nehmen den Löwenanteil für sich in
Anspruch. Mögen staatliche und kommunale Behörden, wie
Arbeiter und private Gesellschaften Häuser bauen; diese
Maßnahmen bedeuten nicht die Lösung der Wohnungs
frage. Wir halten es im Gegenteil für verderblich, wenn
man glaubt, die Arbeiter zu beruhigen, indem man ihnen
die Sorge um eigene Wohnungen abnehmen will, wie das
die Erfahrung allerwärts gelehrt hat. Immer freilich werden
auch in Zukunft Bürger sein, welche das Mietshaus dem
Eigentum vorziehen werden, aber im großen und ganzen
kann man sagen, daß wir die wirtschaftlichen Grundlagen
so legen müssen, daß jeder Fleißige ohne Mühe und Ent
behrung seine eigene Wohnstätte besitzen kann. Das aber
muß erstrebt werden durch fundamentale und zum Teil
rücksichtslose Reformen.
Wenn aber die Zeit gekommen, wo unsere Bürger statt
in elenden Spelunken in hellen, traulichen Räumen weilen
werden, wenn ihnen die Heimat wieder die „liebe, süße
Heimat“ sein wird, dann werden auch Geschlechter empor
wachsen, welche, versöhnt mit den wirtschaftlichen und
sozialen Zuständen ihrer Zeit, ein frohes und glückliches
Dasein in der Erfüllung ihrer Pflichten führen werden.
Wir stehen an der Schwelle des 20. Jahrhunderts, des Jahr
hunderts der Arbeiter. In ihm werden Millionen und wieder
Millionen von Brüdern auf eine höhere Stufe der Lebens
haltung gelangen, und die nach Beseitigung des arbeitslosen
Einkommens vervielfachte Produktion wird ehrlicher und
treuer Arbeit den reichlichsten Lohn sichern.