II. DER WASSERVERKEHR
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messungen passierbar. Bei der noch verhältnismäßig geringen Ent-
wicklung des Eisenbahnwesens in Rußland spielt der Wasserverkehr in
diesem Lande indessen eine größere Rolle als in irgendeinem anderen
Staate Europas. Namentlich sind die russischen Flüsse und Kanäle
für den Transport von Holz, Getreide und Petroleum wichtig.
Der weitaus wichtigste Schiffahrtsstrom Rußlands und Osteuropas ist die
Wolga, die von der Mündung aufwärts bis Nishnij Nowgorod, also auf einer
Strecke von 2200 km, Schiffe und Barken von 2—3000 t trägt. Sie bewältigt
etwa die Hälfte des gesamten russischen Binnenwasserverkehrs, Die Herstellung
siner Verbindung der unteren Wolga mit dem Don, die schon oft und lange
arwogen, soll demnächst endlich in Angriff genommen werden.
Die Wasserstraßen Deutschlands, von denen Rhein, Elbe und
Oder die wichtigsten sind, wiesen vor dem Kriege eine Gesamtlänge
von 14700 km auf, nicht gerechnet 6000 km flößbare Gewässer. Sie
gehören mit Ausnahme der Donau der atlantischen Abdachung an, der
sie im allgemeinen in nordwestlicher Richtung folgen. Damit hat unser
Wasserverkehr die Hauptrichtung auf die Nordsee, das große Ausgangs-
tor für Deutschland zum Weltverkehr. Die Bedeutung der deutschen
Ströme für die Binnenschiffahrt ist besonders groß im Bereich des Nord-
Jeutschen Tieflandes, aber sie greifen mit ihren schiffbaren Strecken
und Kanälen in zahlreichen natürlichen Becken und Senken durch die
Mitteldeutsche Gebirgsschwelle hindurch, so daß sie fast ganz Mittel-
europa nördlich der Alpen erschließen. Im allgemeinen günstige Ge-
fällsverhältnisse, in mäßigen Grenzen bleibende Wasserstandsschwan-
kungen und eine lange jährliche Schiffahrtsdauer (vgl. S. 177) machen
sie zu einem wichtigen Mittel unseres Binnenverkehrs. Zwar kommen
sie seit der Entwicklung des Eisenbahnnetzes für den Personenverkehr,
abgesehen von den landschaftlich schönen Strecken des Rheins im Rhei-
nischen Schiefergebirge, der Elbe im Elbsandsteingebirge und der Havel-
seen, kaum noch in Betracht, aber von der gesamten deutschen Güter-
bewegung bewältigen sie etwa ein Viertel und insbesondere einen großen
Teil des Schwergüterverkehrs. Allerdings sind sie zu dieser Leistung
erst durch zahlreiche künstliche Eingriffe und Erweiterungen befähigt
worden.
In der Regulierung seiner Ströme und dem Ausbau von Kanälen
bat Deutschland bis in die neueste Zeit Großes geleistet. Unsere
heutigen deutschen Wasserwege sind fast durchweg Kunst-
straßen. Aus der Richtung der deutschen Ströme ergaben sich für
den Ausbau des Kanalnetzes zwei Hauptaufgaben: einmal die Ver-
bindung der einander parallel laufenden norddeutschen Ströme unter sich
durch eine ostwestlich verlaufende Querverbindung und sodann die Ver-
knüpfung der großen nach Nordwesten fließenden Adern mit der Donau.
Die erste Aufgabe wird mit der in etwa sieben Jahren zu erwarten-
den Vollendung des Mittellandkanals, von dem gegenwärtig der
letzte Abschnitt zwischen Hannover und der Elbe in Bau ist, gelöst sein,
Es wird dann eine durchgehende Wasserstraße vom Rhein bis zur
Weichsel, die selbst aber jetzt der deutschen Schiffahrt durch Polen
verschlossen ist, einen Güteraustausch zwischen allen norddeutschen
I3römen. zwischen dem industriellen Westen und dem agrarischen Osten,