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sine besondere „Macht-Gesamtheit“ zu bestimmen und nicht, wenn vom
„Staate“ die Rede ist, in orgiastischen Machtphrasen zu schwelgen, da
sich im Gegebenen „Staat“ zwar stets besondere Macht findet, die
aber stets nur eine besondere Verhalten-Geltungs-Macht darstellt. Im >
Hintergrunde vieler Bestimmungen des Gegebenen „Staat“ lauert immer
noch der Gedanke an eine mystische „Machtvollkommenheit“ („plenitudo
potestatis“), so daß dann die — ganz abwegige — CGleichsetzung
von „Staat schlechtweg“ und „Macht schlechtweg“ nahe liegt, wie ja
auch die gebräuchliche Rede von den „Staaten“ als „Mächten“ zeigt.
Bemüht man sich aber nicht, das Gegebene „Staat“ als besondere
Macht darzulegen, so gerät man in die reine Dichtung hinein und ist
gar nicht mehr imstande, dem Worte „Staat“ einen klar begrenzten
Sinn zu geben. Die gedankenlose Gleichsetzung von „Staat“ und
„Macht“ ruft dann immer wieder Kritiker auf den Plan, die schließlich
in entgegengesetzter Richtung irren, indem sie das Gegebene „Staat“
unter Ausschaltung jedes Machtgedankens aus „sittlichen“ Forderungen“
er aus „logischen Forderungen“ bestimmen wollen, also auch im Reiche
der Dichtung landen.
Da jeder „Staat“ eine „ursprüngliche Herrschermacht“ einschließt, *
ändet sich auch in jedem Gegebenen „Staat“ eine „Selbst-Herrscher- «
Macht“, da, wie wir bereits dargelegt haben, „Selbst-Herrscher-Macht“ *
nichts anderes als „ursprüngliche Herrschermacht“ ist. „Staatsmacht“.
ist also stets die Macht, durch Befehle besonderes Verhalten zu ver-
anlassen, d. h. durch solche Gebote, in welchen behauptet wird, daß
der Gebieter gegenüber dem Adressaten eine Macht ungünstiger Zu-
rechnung besitze, die in keiner Beziehung zu einem anderen an den
Adressaten gerichteten Gebote steht. Die in jedem Staate eingeschlossene
‚Selbst-Herrscher-Macht“ („Selbst-Herrlichkeit“) wird insbesondere als
‚Souveränität des Staates“ bezeichnet und der „Begriff“ der „Staats-
souveränität“ bildete und bildet, wie allgemein bekannt ist, den Gegen- -
stand schier unerschöpflicher Streitigkeiten. Insbesondere ist streitig,
»b „Souveränität“ zum Wesen des „Staates“ gehört, ob es „volle“ und
„halbe“ Souveränität gibt, ob es eine „Souveränität nach Außen“ und
eine „Souveränität nach Innen“ gibt usw. Alle diese Streitigkeiten
werden aber völlig überflüssig, wenn man sich klar macht, daß die
ganze Geschichte des „Souveränitätsbegriffes“ eine Geschichte ständiger
Bedeutungsverschiebungen hinsichtlich des Wortes „Souveränität“ dar-
stellt und daß man mehrere Bedeutungen jenes Wortes ständig ver-
wechselt. Erstens nämlich wird mit dem Worte „Souveränität“ eben
die „ursprüngliche Herrschermacht“, also die „Befehl-Geltungs-
Macht“ bezeichnet. Den Gegensatz zur „Souveränität“ bildet in solchem
Falle die „abgeleitete Herrscher-Macht“, also die „Forderung-Geltungs-
Macht“. Zweitens wird mit dem Worte „Souveränität“ eine Lage
Ta ial