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Die Frage der Erzeugungskosten
3. DIE BELASTUNG DER ERZEUGUNGSKOSTEN
Es erscheint zweckmäßiger, in diesem Zusammenhang von einer
„Belastung“ anstatt von einer „Erhöhung“ der Produktionskosten
zu sprechen. Denn es soll hier nicht davon die Rede sein, inwie-
weit die vorbesprochenen Momente der Weltpreis-Teuerung die Er-
zeugungskosten zwangsläufig erhöht haben, eine Tatsache, die ohne
weiteres feststeht und gewöhnlich in dem bekannten circulus vitiosus
zum Ausdruck kommt, daß jede Verteuerung der Nahrungsmittel
zunächst in Form von Lohnerhöhungen eine Verteuerung der indu-
striellen Erzeugung herbeiführt, welche dann ihrerseits wieder auf
die Lage der Agrarproduzenten als Verbraucher zurückwirkt, deren
Produktion verteuert und eine weitere Preiserhöhung ihrer Erzeug-
nisse bedingt.#) Diese Erscheinung erscheint durch die vorher-
gehende Betrachtung zur Genüge geklärt,
Dagegen treten zu diesen sich aus der Teuerung ergebenden Pro-
duktionskostensteigerungen heute solche, die ihre Ursache in den
besonderen Verhältnissen der Nachkriegszeit haben und daher als
neu hinzukommende „Belastungen“ aufzufassen sind.
Dahin gehört zunächst die Belastung aller Volkswirtschaften und
ihrer Produktivität durch die erhöhten Steuern, welche zum Teil
auf die Ausgleichung von Kriegsschäden und Kriegsschulden, zum
Teil auf die erhöhten Ausgaben der Sozialpolitik zurückzuführen
34) Für die Beurteilung dieser Frage ist es entscheidend, wie der
Reallohn der Arbeiterschaft sich seit 1913 in der Welt gestaltet hat.
Auch hier herrscht Verschiedenheit. In den Vereinigten Staaten ist nach
übereinstimmenden Ermittlungen eine Erhöhung über Friedenssatz an-
zunehmen. Sering spricht davon, daß die Nominallöhne „doppelt so
hoch seien wie vor dem Kriege“ — was’ also eine Erhöhung der Real-
löhne bedeuten würde — (vgl. Grundfragen der neuen deutschen Han-
delspolitik, Leipzig 1925, S. 18); der Geschäftsbericht der Vereinigung
äer deutschen Unternehmerverbände 1925, S. 203, konstatiert ebenfalls
eine wesentliche Steigerung der Reallöhne in den Vereinigten Staaten,
dagegen schätzt er den Reallohn des gelernten deutschen Arbeiters auf
90—95% der Friedenshöhe, den des ungelernten auf 100—105%, für
England gibt er Reallöhne an, die in den einzelnen Industriezweigen
von 76—130% schwanken. Man wird also gut daran tun, die Bedeutung
des Lohnes für die erhöhten Erzeugungskosten, soweit Europa in Frage
kommt, nicht zu überschätzen. Denn es liegen keine Beweise vor, daß
die Erhöhung der Löhne insgesamt die Erhöhung der Preise überschrit-
ten hätte.