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I. Kap.: Begriff und Einteilung der Hausinduftrie
geber regelmäßig infofern abhängig, als diefer gegen ihn den rechtlichen An-
fpruch auf weitere Arbeitsleiftungen und auch die Befugnis befitzt, jederzeit
in die Arbeitsausführung einzugreifen.
Diefe Unterfcheidung ift in der Praxis fchwer durchzuführen, eine fcharfe
Grenzlinie zwifchen Hausgewerbetreibenden und Heimarbeitern ift kaum zu
ziehen. Die Anleitungen der Reichsverficherungsbehörden geben darum eine
Anzahl verfchiedener Merkmale von Hausinduftrie und Heimarbeit, die fpäter
(bei der Verficherungsordnung für Hausinduftrie) näher aufzuzählen find.
Aber felbft an ihrer Hand bleibt die Unterfcheidung oft unklar. Auf jeden Fall
aber ift der Kreis der Heimarbeiter gegenüber den Hausgewerbetreibenden
ein eng begrenzter.
Unter diefen Umftänden wäre es verfehlt und böte zu Mißverftändniffen
Anlaß, wenn jemand einen irgendwie gearteten Unterfchied zwifchen Haus
induftrie und Heimarbeit durchführen wollte. Im allgemeinen Sprachgebrauch,
in Preffe und Literatur werden meiftens Hausinduftrie, Hausgewerbe, Haus
arbeit, Heimarbeit, Heiminduftrie fynonym gebraucht.
Die Bezeichnung Hausarbeit hat durch das Gefetz vom 20. November
1911 neue Verbreitung gefunden. Allerdings deckt fich der Ausdruck „Haus-
arbeit“ im Gefetz auch nicht völlig mit der nationalökonomifchen Bedeutung
des Wortes Hausinduftrie oder Verlagsinduftrie; fcheiden doch alle diejenigen
Hausgewerbetreibenden aus, die in ihrer Werkftatt Perfonal auf Grund gewerb
lichen Arbeitsvertrags befchäftigen. Immerhin erweift fich das Wort Haus
arbeit, wenn es nunmehr allgemein rezipiert wird, vielleicht als geeignet, die
mißverftändlichen Unterfcheidungen von Hausinduftrie und Heimarbeit hintan
zuhalten.
Außer den aufgezählten Betriebsformen der Hausinduftrie gibt es noch
viele Nuancen, die für die Gefamtlage des Heimarbeiters von Bedeutung find.
So ift es nicht gleichgültig, ob jemand die Heimarbeit als ausfchließliche Be-
fchäftigung, als Berufstätigkeit ausübt, oder bloß als Nebenbefchäftigung, wie
viele Fabrikarbeiter, die nach des Tages Laft und Hitze noch Arbeit nach Haufe
nehmen, und viele Frauen und Töchter aus den beffern Ständen. Es ift
auch nicht gleichgültig, ob ein Heimarbeiter allein arbeitet oder bloß Familien
angehörige bei fich befchäftigt, oder endlich Fremde gegen feften Lohn an
nimmt, ein Unterfchied, der übrigens mit dem aufgeftellten Unterfchiede
zwifchen eigentlicher Heimarbeit und Werkftattarbeit teilweife zufammen-
fällt. Es fällt endlich auch für die Beurteilung der Lage des Heimarbeiters ins
Gewicht, ob er über ein Häuschen und ein Ackerftückchen zum Kartoffelbau
verfügt, das die Familie beftellen kann, oder ob er befitzlofer Mieter ift, der