Full text: Wissenschaftlicher Sozialismus, Kommunismus, Anarchismus und Bolschewismus

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Drittes Kapitel. 
Ferdinand Lassalle und seine Bedeutung 
für die Arbeiterbewegung. 
1. Sein Leb e n. 
So bedeutsam auch die in unseren früheren Aufsätzen kurz besprochenen 
Systeme für die Geschichte der sozialistischen Gedankenwelt gewesen sein mö 
gen, auf die Entwickelung der sozialistischen Bewegung in Deutschland hatten 
sie doch nur recht geringen Einfluß. In die-Massen der Bevölkerung konnten 
die sozialistischen Theorien nicht eindringen, sie blieben ihnen im wesent 
lichen unverständliche und unverstandene Theorien. Wie man mit Recht 
gesagt hat, es bedurfte unmittelbarer praktische Vorteile gewährender Ziele, 
um sie in Bewegung zu setzen. Außerdem gab es bis zur Mitte des vorigen 
Jahrhunderts in Deutschland kaum proletarische Arbeiterschichten, die groß- 
industrielle Entwickelung Deutschlands steckte noch durchaus in den Kinder 
schuhen, im gewerblichen Leben überwog noch ganz Zünftlertum, der, Klein- 
und Mittelbetrieb herrschte vor. Selbst die gewerblichen Arbeiter waren 
noch vorwiegend von zünftlerischen Gedankengängen erfüllt, ihr Ideal war 
die Erlangung der wirtschaftlichen Selbständigkeit, einer Handwerksmeister 
stellung. Der vorhandene Sozialismus war ein halb mittelalterlicher „Hand 
werksburschensozialismus". Auch die während der Märzrevolution von 1848 
unternommenen Versuche, insbesondere von Karl Marx, eine tragkräftige 
sozialistische Bewegung hervorzurufen, mißlangen nach einigen spärlichen 
Anfangserfolgen, namentlich in den Rheinlanden, gar bald. Sein berühm 
tes 1847 erschienenes „Kommunistisches Manifest" wurde zwar viel gelesen, 
übte aber zunächst sehr wenig praktischen Einfluß auf die großen Massen 
aus. Diese waren eben noch durchgehend kleinbürgerlich und noch nicht 
spezifisch proletarisch. 
Eine völlige Wandelung tritt erst mit dem Auftreten Ferdinand 
L a s s a l l e s ein. Der Darstellung feiner Hauptlehren — die hier, wie 
allenthalben in unseren Aufsätzen, notgedrungen nur kurz sein kann und sich 
auf die wesentlichen Züge beschränken muß — schicken wir , eine Schilderung 
seines Lebenslaufes in ganz groben Umrissen voraus. Bei ihm wie auch 
bei seinem großen Vorbild und Meister Karl Marx ist eine Kenntnis seiner 
äußeren Geschicke für das Verständnis seiner Lehren und seines inneren 
Wesens einfach unerläßlich. 
Ferdinand Lassalle wurde am 11. April 1825 in Breslau als Sohn des 
sehr wohlhabenden jüdischen Seidenhändlers Heymann Laffalle geboren. 
Nach anfänglichem Besuch des Gymnasiums seiner Vaterstadt, das er aber
	        
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