ten oder wieder erlangten höheren moralischen Niveaus
dienen können, noch viel zu gering sind, um mehr
Dauererfolge als bisher hinsichtlich ihrer moralisch sitt-
lichen Heilung zu erzielen.
Einen Anhaltspunkt. über die Zahl der wegen Ge-
schlechtskrankheiten in Spitalsbehandlung gestandenen
Personen ist aus den dem Volksgesundheitsamte vor-
liegenden Berichten über die Abgänge aus den Spitälern
zu gewinnen. Es schieden aus der Spitalsbehandlung in
den Jahren 1921-1926 wegen Syphilis 8038, 7257, 7677,
73306, 6470, 5900, wegen sonstiger venerischen Krank-
heiten 6482, 6122, 6486, 6403, 6038, 5751 Personen.
Nach diesen statistischen Daten kann eine Abnahme
der Geschlechtskrankheiten angenommen werden,
die bei der Syphilis stärker hervortritt als bei
den sonstigen venerischen Krankheiten. Für das Jahr
1927 liegen noch nicht alle bezüglichen Berichte vor,
doch ist anzunehmen, daß, wenn auch keine bedeutende
Abnahme, so doch auch keine Zunahme der für das
Yahr 1926 {festgestellten Zahlen sich ergeben werden.
Mit Berechtigung erwartet man von einer im. Zu-
‚ammenhange mit der Anzeige- und Behandlungs-
öflicht gesetzlich zu regelnden Zwangs-
ehandlung eine wirkungsvollere Bekämpfung der
Geschlechtskrankheiten als bisher. Die Erfahrungen, die
nan in dieser Beziehung in den nordischen Staaten
zemacht hat, sprechen unbedingt für die Richtigkeit
lieser Annahme, hingegen lauten die Berichte über die
»isherige Auswirkung des seit 1022 in der Tschecho-
;Jovakei und des seit I. Oktober 1927 im Deutschen
Reiche bestehenden Gesetzes zur Bekämpfung der Ge-
;schlechtskrankheiten nicht einheitlich. In Oesterreich
;teht ein Entwurf zu einem solchen Gesetze schon
;‚eit mehr als einem Dezennium zur Diskussion; auf Grund
‚on aus Fachkreisen stammenden Gutachten und Wün-
schen, sowie auf Grund der inzwischen in Kraft ge-
retenen Verfassungs- und Verwaltungsverfahrensgesetze,
jowie unter Bedachtnahme auf den neuen Strafgesetz-
antwurf hat der Entwurf vielfache Abänderungen er-
'ahren und dürfte nun voraussichtlich noch im laufen-
len‘ Jahre (1928) zur parlamentarischen Behandlung
kommen.
ALKOHOLISMUS
Ministerialrat Dr. Wilhelm Lisenschiml.
Von den mannigfachen behördlichen Verfügungen,
welche seit Kriegsende im Interesse der Bekämpfung des
Alkoholismus getroffen wurden, darf das Bundes-
gesetz vom 7. Juli 1922, BGBl. Nr. 448, betreffend die
Einschränkung der Verabreichung von geistigen Getränken
an Jugendliche, an erster Stelle genannt werden. Nach
diesem Gesetze ist die Verabreichung alkoholischer Ge-
tränke jedweder Art in Schankstätten und in allen Ver-
Schleißstellen an Jugendliche bis zu I6 Jahren verboten.
Die Uebertretung dieses Verbotes ist unter Strafsanktion
gestellt, und zwar treffen die angedrohten Strafen nicht
nur den alltällig verantwortlichen Begleiter des Jugend-
lichen, sondern auch den Inhaber oder Pächter deı
Schank-(Verschleiß-)stätte oder audh dessen Stellvertreter,
der zuläßt, daß eine im Betriebe verwendete Person
gegen das Verbot handelt. Die Strafen bestehen in Geld-
bußen oder Arrest, nach wiederholten fruchtlosen Be-
Strafungen kann seitens der Gewerbehbehörde auch mit
dem Entzuge der Gewerbeberechtigung vorgegangen
werden. Von einer strengen Beachtung dieses Gesetzes
kann, trotzdem dessen Handhabung wiederholt in Er-
Innerung gebracht wurde, im allgemeinen bedauerlicher-
Weise nicht gesprochen werden, woran die noch vielfach
mangelhafte Erkenntnis der Eltern bzw. der für die Er-
Ziehung der Kinder verantwortlichen Personen über die
Schäden des Alkohols insbesondere für den kindlichen
und jugendlichen Organismus viel Schuld tragen mag.
wenn auch zugegeben werden muß, daß auch hierin in
den letzten Jahren dank der insbesondere von den
Vereinen, die sich die Bekämpfung des Alkoholismus
zur Aufgabe gestellt haben, eifrig betriebenen Auf-
klärungsarbeit eine Besserung eingetreten ist. Dies be-
weist aber auch, daß erst dann, wenn das Verständnis
für den im Interesse des einzelnen, der Familie und des
Staates notwendigen Kampf gegen den Alkoholismus
auch in die breiten Massen gedrungen sein wird, für die
zesetzgebende Gewalt der Zeitpunkt gekommen sein
wird, weitere gesetzliche Maßnahmen auf diesem Gebiete
nit Aussicht auf Erfolg in Erwägung zu ziehen. Mit be-
sonderer Genugtuung darf an dieser Stelle gleich die von
len alkoholgegnerischen Vereinen immer intensiver be-
riebene Aufklärungsarbeit hervorgehoben werden. Diese
Vereine werden in ihrer Tätigkeit durch Gewährung von
3Zundesbeiträgen unterstützt. Ein sehr verdienstvolles
ınd erfolgversprechendes Wirken entwickeln derzeit die
neisten dieser Vereine, indem sie vor allem die alkohol-
'reie Kindererziehung einerseits und die Gewinnung
Ukoholfreier Getränke andererseits in den Kreis ihrer
Aufklärungsarbeit ziehen, doch ist auch ihre von großem
dealismus getragene Arbeit, welche sie auf dem Gebiete
ler Fürsorge für Alkoholgefährdete leisten, besonderer
Erwähnung würdig. .
Bezüglich der schon eingangs berührten behördlichen
Verfügungen, welche der Bekämpfung des Alkoholismus
lienen sollen, sei nur kurz erwähnt, daß solche in Form
‚on FErlässen außer von verschiedenen Zentralstellen des
Bundes auch von einzelnen Ländern und größeren Ge-
neinden getroffen wurden, von denen im folgenden einige
ıngeführt werden sollen. Das Land Tirol hat sich im
ahre 1925 durch Beschluß seines Landtages ein eigenes
„‚andesgesetz, betreffend Hintanhaltung der Trunksucht
zeschaffen. Nach diesem Gesetze, welches nur für das
“and Tirol Geltung hat, kann über Personen, von denen
ı1ach dem Ergebnisse eines gerichtlichen oder polizeilichen
strafverfahrens feststeht, daß sie im trunkenen Zustande
zu Ausschreitungen neigen oder deren Hang zur Trunk-
sucht durch ein amtsärztliches Zeugnis erwiesen ist, ein
Verbot des Wirtshausbesuches verhängt werden; an