Full text: Übervölkertes Land

Das Städtewesen 
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lernt hat, ist in der neuesten Zeit an die Stelle der »Landflucht« 
der umgekehrte Wunsch getreten: Alles trachtet von der Stadt 
weg aufs Land zu kommen, das seinen Mann besser nährt. Diese 
Verhältnisse werden in einem Artikel der »Deutschösterreiehischen 
Wirtschaftszeitung für Stadt und Land« vom 15. Mai 1921, der 
sich »Stadtflucht und Landarbeit« betitelt, sehr klar geschildert. 
Ich lasse ihn deshalb hier auszugsweise folgen: 
»Es war einmal ..., so beginnt das Märchen. Wie ein Märchen 
mutet es uns an, daß es einmal eine Zeit gegeben hat, da der 
Landwirt Überfluß an landwirtschaftlichen Hilfskräften hatte. Das 
war vor etwa fünfzig bis sechzig Jahren der Fall, weshalb von 
den Dörfern Tausende rüstiger Arme in die Städte und Industrie 
orte abwanderten, um sich dort ein auskömmliches Leben zu 
sichern. Der Landwirt konnte in den dreißiger, vierziger und 
fünfziger Jahren des vorigen Jahrhunderts oft nur seinen Söhnen 
und Töchtern hinreichende Versorgung durch Arbeit geben. Die 
dünn bevölkerten Landstriche hatten einen verhältnismäßig ge 
ringen Bedarf an 'Menschen, ebenso die Städte, die damals oft 
kaum die Hälfte der heutigen Bevölkerungszahl aufwiesen. Und 
so war es vielfach Regel, daß nicht nur die Söhne und Töchter 
der Kleinhäusler und Inwohner der Stadt den Fabriksorten zu 
strebten, sondern auch mancher Bauerssohn und manche Bauers 
tochter, die in der Stadt das Glück zu erfassen hofften, das freilich 
aber in den allermeisten Fällen ausblieb . .. 
Der Leutemangel in der Landwirtschaft war aber schon vor 
dem Weltkriege sehr fühlbar. Die Abwanderung in die Städte 
und Industrieorte nahm von Jahr zu Jahr zu. 
Man suchte der Landflucht durch allerlei Mittel und Mittelehen 
abzuhelfen, die aber zumeist versagten. Warum, ist leicht gesagt. 
Die Landwirtschaft war eben damals nicht so rentabel, als daß 
sie die Arbeitskräfte hätte besonders anlocken können. Mancher 
Bauerssohn und mancher Bauersknecht und landwirtschaftliche 
Arbeiter blieb deshalb auch nach Ableistung seines dreijährigen 
militärischen Dienstes in der Stadt als Tramwaybediensteter, als 
Ämtsdiener u. dgl. ,hängend Man betrachte nur auch heute noch 
die strammen Gestalten vieler Tramwaysehaffner, Briefträger, 
Portiere usw. und man wird unschwer das echt ,agrarische 1 Ge 
haben bei gar vielen herausfinden.
	        
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