Full text: Wichtige Aufgaben der materiellen Fürsorge

Fürsorgeträger, so darf in diesem Zusammenhang trotz gegenteiliger 
Behauptung gesagt werden, daß sich die Fürsorgeträger redlich be 
mühen, ihren Aufgaben gerecht zu werden, obwohl große finanzielle 
Schwierigkeiten zu überwinden sind. Die Fürsorgeträger sind sich be 
wußt, daß bei ihnen die Entscheidung über die gegenwärtige Gestal 
tung und künftige Entwicklung des gesamten Fürsorgewesens liegt, 
sie sind sich auch bewußt, daß in ihrer Hand das Schicksal von Millio 
nen Hilfsbedürftiger liegt; diesen eine auskömmliche Fürsorge zu ge 
währen, ist ihr aufrichtiger Wille. 
Nach dem oben zitierten § 10 haben die Fürsorgeträger die Auf 
gabe, in jedem Einzelfalle das erforderliche Maß an Fürsorge zu 
ermitteln und zu gewähren. Ausgehend von der Erkenntnis, 
daß der vielgestaltigen Not durch ebenso vielgestaltige Maßnahmen 
entgegengetreten werden muß, ist hier der Grundsatz der individuellen 
Betreuung festgelegt. Zugleich ist aber den Fürsorgeträgern die Ver 
pflichtung und Verantwortung darüber auferlegt, daß in jedem Fall 
genügend geschieht. Schließt nun dieser Grundsatz Richtlinien über 
das Maß der Fürsorge aus? Rein theoretisch betrachtet könnten wir 
geneigt sein, die Frage zu bejahen, soll doch jeder Fall nach seiner 
besonderen Lage behandelt werden. Bei der großen Zahl Fürsorge 
bedürftiger und bei dem Bestreben, möglichst viel ehrenamtliche Kräfte 
zur Mitarbeit heranzuziehen, sind jedoch Maßstäbe oder Richtsätze 
zur Bemessung der Fürsorgeleistungen unentbehrlich, sie sind selbst 
dann erforderlich, wenn das Maß der Fürsorge streng nach indivi 
duellen Gesichtspunkten festgesetzt werden soll. Überlassen wir den Für 
sorgeorganen die Festsetzung der Unterstützungen im Einzelfalle nach 
freiem Ermessen ohne Maßstäbe, so werden unberechtigte Unterschiede 
entstehen und auch grundsätzlich voneinander abweichende Fest 
setzungen getroffen, die zu vielen Berufungen führen. Richtsätze wer 
den deshalb bereits bei den meisten städtischen Fürsorgeträgern ange 
wandt, wobei allerdings die Ermittelung derselben in verschiedenen 
Formen versucht wird. Die primitivste Form ist die der einfachen 
Schätzung des Lebensbedarfes, gegebenenfalls unter Anpassung an in 
der Vorkriegszeit gezahlte Unterstützungen. Andere Fürsorgeträger 
legen ihrer Berechnung eine bestimmte Menge Lebens- und Bedarfs 
mittel zugrunde und ermitteln die Kosten an Hand der Indexzahl. 
Wieder andere haben die Richtsätze der Erwerbslosenfürsorge oder 
auch den Lohntarifen der in der betreffenden Gemeinde vorherrschen 
den Industrie angepaßt. Kompliziert wird die Aufgabe noch durch die 
Unterscheidung der Hilfsbedürftigen nach bestimmten Gruppen 
(Kriegsopfer, Sozialrentner, Kleinrentner und Armenpfleglinge), so 
daß in manchen Gemeinden mehrere Arten von Richtsätzen nebenein 
ander zur Anwendung gelangen. 
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