Full text: Frédéric Le Play in seiner Bedeutung für die Entwicklung der sozialwissenschaftlichen Methode

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jetzt einigermaßen übersehen, seitdem wir hierüber durch die Bücher 
von Auguste Bechaux, „Die französische Nationalökonomie der 
Gegenwart“, übers, v. Wampach (1903) und von ßaymund de 
Waha „Die Nationalökonomie in Frankreich“ (1910) unterrichtet 
sind. Selbst der letztere widmet der Methode Le Play’s zwar auch 
nur 10 Seiten; dafür bespricht er aber um so ausführlicher die 
Methoden seiner Nachfolger, sowohl der Schule der „Reforme sociale“, 
wie der Schule der „Science sociale“. 
Die Methode Le Play’s können wir vollständig erst würdigen, 
seitdem wir diejenige Thiinen’s genauer kennen gelernt und in ihrer 
vorbildlichen Bedeutung erfaßt haben. Wie Thünen und wie Le 
Play dazu kamen, eine neue wissenschaftliche Methode anzuwenden, 
soll hier zunächst nur ganz kurz und äußerlich betrachtet werden. 
Thünen und Le Play. Dasjenige Problem, welches Thünen 
veranlaßte, eine neue wissenschaftliche Methode anzuwenden, war 
ein Problem der landwirtschaftlichen Produktion J ). Gegenüber dem 
unbedingt vorwärtsdrängenden Optimismus Albrecht Thaer’s, des 
großen Reformators der deutschen Landwirtschaft, dem Thünen an 
fangs folgte (wodurch er gleich anderen Landwirten an den Rand 
des Ruins gelangte), — erkannte er später, daß die auf solche Weise 
(durch unzureichende Induktionen und überwiegende Deduktionen) 
entstandenen Ergebnisse „nie mit der Wirklichkeit übereinstimmen 
konnten, und daß er, wenn er etwas Nützliches und Brauchbares 
hervorbringen wollte, die Grundlage zu seinem Kalkül erst aus der 
Erfahrung entnehmen müsse“. Er wurde durch die Erfahrung ver 
anlaßt, die Anwendbarkeit der von Thaer bedingungslos geforderten 
intensiven Wirtschaftsweise genau zu prüfen und ihre Abhängigkeit 
von bestimmten gegebenen Voraussetzungen festzustellen. Zu dem 
Zwecke gruppierte er Kosten und Erträge der einzelnen Betriebs 
zweige und verglich die Reinerträge verschiedener Betriebs-Systeme 
bei gleichbleibenden wie bei wechselnden Getreidepreisen. Die 
gleiche Methode suchte er in möglichst weitem Umfange auf andere 
Probleme anzuwenden, ist jedoch dabei nicht wesentlich über den 
Rahmen des landwirtschaftlichen Betriebs hinausgelangt. Als er zu 
einem „sozialen“ Problem überging (Bestimmung des „naturgemäßen 
Arbeitslohns“), kehrte er wieder zu überwiegender Deduktion zurück, 
weil er im Kreise seiner Beobachtungen dafür kein ausreichendes 
Material an Erfahrungen finden konnte. 
’) Vgl. Mer Thünen-ArcMv I, 16 ff., 112, 547 ff.; II, 520 ff.
	        
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