Full text: Die Berliner Arbeiterbewegung von 1890 bis 1905

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die Bezirksführer; in beiden Fällen aber bedürfen 
die Ernennungen der Bestätigung durch die General 
versammlung des Vereins. — 
Das Statut des ebenfalls schon 1889 gegründeten 
Sozialdemokratischen Wahlvereins für Berlin IV 
lautete gleich zu Anfang bestimmter als das Statut 
des Vereins für Berlin I, wir begegnen aber auch bei 
ihm der Tendenz, sich auf Rechtsvorschriften zu berufen. 
Als Zweck des Vereins wird (§ 1) geradeheraus 56. Parteistempel 
angegeben: „die Herbeiführung sozialdemokratischer 
Wahlen". Etwas diplomatischer klingt es dagegen, wenn § 2 erklärt, daß 
das gesteckte Ziel erreicht werden soll „durch tatkräftige und planmäßige 
Ausübung der durch die Wahl-, Versammlungs-, Vereins-, Preß- und 
sonstige Gesetzgebung gewährten staatsbürgerlichen Rechte, insbesondere: 
1. durch Vorbereitung auf kommende Wahlen vermittelst Werbung von 
Mitgliedern, Veranstaltung von wissenschaftlichen und politischen Vorträgen 
und Besprechungen in den Vereinsversammlungen, Benutzung der Presse; 
2. nach erfolgter Wahlausschreibung durch Leitung der Wahlbewegung. 
Zum Beitritt befähigt wird erklärt (§ 3) jeder volljährige Bürger, der sich 
mit den Grundsätzen des Vereins einverstanden erklärt." Die geschickte 
Fassung all dieser Sätze zeigt, daß diejenigen, die das Statut ausarbeiteten, 
in der Rechtspraxis gute Erfahrungen hatten. 
Es wurde, wie im vorigen Kapitel erwähnt, im Jahre 1894 abgeändert. 
Der Zweck der Änderung — Erweiterung der Arbeitssphäre des Vereins — 
kommt auch in der neuen Fassung der das Programm bildenden Sätze des 
Statuts zum Ausdruck. Im § 1 wird als Zweck des Vereins jetzt ganz 
allgemein angegeben, „die sozialdemokratischen Bestrebungen zu fördern", 
was geschehen solle: 
„1. durch Erörterung aller das Gemeinwohl und das Parteiinteresse 
berührenden Angelegenheiten; 2. durch Vorbesprechung aller politischen 
und Parteiwahlen; 3. durch Verbreitung sozialdemokratischer Ideen in 
allen Bevölkerungskreisen, insbesondere durch unentgeltliche Verteilung 
sozialdemokratischer Literatur an die Mitglieder; 4. durch Errichtung 
einer Bibliothek, die in erster Reihe dazu bestimmt ist, die Vereins 
referenten mit wissenschaftlichem Material für ihre Vorträge zu ver 
sehen; und 5. durch Pflege der Geselligkeit unter den Mitgliedern." 
And Mitglied kann „jeder werden, der sich mit den Grundsätzen des Vereins 
einverstanden erklärt". 
Rach Erledigung des Köllerstreichs von Ende 1895 schuf sich der vierte 
Berliner Reichstagswahlkreis, wie wir gesehen haben, zwei Wahlvereine: 
Berlin I V Ost und Berlin IV Süd - Ost. Diese Vereine erhielten aber 
übereinstimmend lautende Statuten. Jeder von ihnen bezweckte danach in 
seinem Teil des Wahlkreises den Zusammenschluß der Parteigenossen zu 
fördern und für die Grundsätze und Forderungen der Sozialdemokratie neue 
Anhänger zu gewinnen: „1. durch Abhaltung von Versammlungen, 2. durch 
Verbreitung sozialistischer Literatur und der Parteipresse, 3. durch Be 
sprechung von Tages- und Parteifragen und öffentlichen Wahlen." Fähig 
zur Mitgliedschaft ist in beiden Vereinen, „wer das sozialdemokratische 
Parteiprogramm anerkennt". Den späteren Auflagen des Statuts war
	        
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