Zwölftes Kapitel
Die gewerkschaftliche Bewegung der Handlungs
gehilfen Berlins.
^ie von: Geiste der modernen Arbeiterbewegung erfüllte Agitation ließ,
wie schon im zweiten Band gezeigt wurde, auch die in rascher
Steigerung zunehmende Berufsschicht der Landlungsgehilfen Berlins
nicht unberührt. Angehörige der Landelsberufe finden wir von Anfang
an in der Arbeiterbewegung, aber sie blieben längere Zeit vereinzelte Aus
nahmen. Je mehr aber der Großbetrieb auch im Kaufmannsgewerbe sich
Platz eroberte, je mehr sich die Fälle häuften, wo das Verhältnis von
Prinzipal und Gehilfe statt ein vorübergehendes, persönliches Abhängig
keitsverhältnis Klassengegensätze zum Ausdruck brachte, um so mehr mußte
auch das Bestreben sich geltend machen und als zeitgemäß erweisen, für
die Landelsgehilfen Organisationen zu schaffen, die von dem gleichen Geist
erfüllt waren wie die freien Gewerkschaften, das heißt, die, ohne Partei
charakter zu tragen, in sozialistischem und nicht in kapitalistischem oder dem
Kapitalismus ergebenen Geist geleitet wurden.
Im zweiten Band konnte von diesen Bewegungen nur beiläufig Notiz
genommen, auf ihre Schicksale und Erfolge aber nicht eingegangen werden.
Die ersteren sind aber interessant und die zweiten bedeutsam genug, um
Anspruch darauf zu haben, in dieser Geschichte näher behandelt zu werden.
Es handelt sich um eine Bewegung eigener Art, in vielem der Bewegung
der Lohnarbeiter verwandt, in Einzelheiten doch von ihr unterschieden.
Einer der Pioniere, die im Winter 1882/83 die ersten Grundlagen
zur Landlungsgehilfenbewegung Berlins gelegt haben und mit ihr in
steter enger Verbindung geblieben sind, August ^L in he, hat dem Verfasser
in liebenswürdiger Weise seine Aufzeichnungen und Sammlungen zur
Verfügung gestellt, und vornehmlich auf Grund ihrer soll die Bewegung
hier eine kurze Darstellung erfahren.
Im Anschluß an die große Agitation des Jahres 1883 für die Sonn
tagsruhe im Landelsgewerbe ward am 18. November 1883 eine „Freie
Organisation junger Kaufleute" ins Leben gerufen, in deren ersten
Vorstand wir neben Karl Nosenthal und E. L- Friedrichs auch
Aug. Lintze finden. Ihr Programm bestand aus acht Punkten: Fest
legung der gesetzlichen Kündigungsfrist als Mindestgrenze für Kündigungen,
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